„Die beiden schönsten Dinge sind die Heimat, aus der wir stammen, und die Heimat, nach der wir wandern“ (Johann Heinrich Jung-Stilling)
Weil der Begriff der Heimat zumeist mit einer Beziehung zwischen Mensch und Raum verknüpft ist, differenziert Andreas Eckl eingangs zunächst zwischen zwei Arten der Heimat:
1. der Heimat der Kindheit (und Jugend) und
2. der Heimat bzw. den Heimaten des Menschen im Laufe seines Lebens.
Ersteres bezieht sich auf den Ort, in den der Mensch „hineingeboren“ wird und wo gleichsam die ersten Sozialisationserlebnisse stattfinden. Demnach stellt sich die Frage, inwieweit der Ort und vor allem die Qualität des Ortes prägend auf den Menschen einwirken? Einen idealisierten Heimatbegriff stellt in diesem Zusammenhang das „Dorf“ dar, in dem das Elternhaus eingebettet ist. Die glückliche Kindheit auf dem Dorf steht dabei sinnbildlich für die menschlichen Bedürfnisse nach Identität, Sicherheit und Selbstverwirklichung und ist damit Voraussetzung, umfassend heimisch zu werden.
Aufgrund der veränderten Lebens- und Arbeitswelt ist es für viele Menschen heute selbstverständlich, die Heimat der Kindheit früher oder später zu verlassen und im Laufe des Lebens den Ort möglicherweise (mehrfach) zu wechseln. Damit verbunden ist ebenfalls das Bedürfnis des Heimischwerdens in einer „neuen“ Heimat abseits des Ortes oder Region, in der man geboren und aufgewachsen ist. Gleichzeitig ist Heimat immer mit einem räumlichen „Kristallisationspunkt“ verbunden, weshalb der Mensch sie in seinem Bewusstsein und seinem Verhalten immer wieder neu schafft.
Aufgrund der fortschreitenden Individualisierung und Diversifizierung der Gesellschaft ist in späteren Lebensphasen eine Übertragung des traditionellen Bilds der Heimat jedoch nicht mehr ohne weiteres möglich. Zur Vollständigkeit des Heimischwerdens in „neuen“ Heimaten ist deshalb die Vertrautheit in das soziale Umfeld entscheidend. Hierbei kann die gebaute Umwelt auf verschiedenen Ebenen Einfluss nehmen. Dazu gehört:
Dabei ist der eigene Wohnraum als Lebensmittelpunkt ein zentrales Element des Heimatbegriffs. Auch hier hat sich im Lauf der Zeit eine sehr individuelle Vorstellung von der Gestaltung des Eigenheims entwickelt, während die Einbindung des Gebäudes in Ort, Umgebung und Tradition mittlerweile eine untergeordnete Rolle spielt (Beispiel Toskanahaus). Die zunehmende Individualisierung führt zur Entstehung von „Wohninseln“ (Siedlungen). Davon getrennt bestehen Stätten für Arbeit, Einkauf und Freizeit als monofunktionale, zweckgebundene Orte. Aufgrund der Zerstreuung dieser Orte, ist die Erreichbarkeit und Qualität der Infrastruktur entscheidend, diese „Inseln anzusteuern".
Durch die zunehmende Funktionstrennung und durch die Inanspruchnahme des Straßenverkehrs war lange Zeit eine Auflösung des öffentlichen Raums festzustellen. Es kam zu einer Spezialisierung der Räume in Freizeit- und Verkehrsräume, wobei die Vielfalt, sozial Durchmischung und die gemeinschaftsbildende Funktion des öffentlichen Raums aufgrund der unterschiedlichen Geschwindigkeiten und Reichweiten verloren geht. Zwischenzeitlich wurde der öffentlich Raum als zentrales Element der Stadtplanung zur Schaffung eines identitätsstiftenden Gemeinwesens wiederentdeckt (Shared Space).
Abschließend stellt Andreas Eckl fest, dass für das Heimischwerden weniger die Qualität der ästhetischen Gestaltung, sondern vielmehr die Möglichkeiten der gebauten Umwelt in Form von Aneignung, Gemeinschaft und sozialen Kristallisationspunkten ausschlaggebend sind, was er am Beispiel der Wiener Satellitenstadt Alt-Erlaa aus den 1970er Jahren wie auch an Siedlungen für Geflüchtete in afrikanischen Ländern illustriert.
Im Anschluss diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer darüber, weshalb einerseits viele Menschen eine Sehnsucht nach dem Landleben verspüren, aber trotzdem in der Stadt wohnen. Hier spielen vor allem das idealisierte Bild vom „Dorf“ und der Drang nach Individualisierung und „Cocooning“, die Tendenz sich ins häusliche Privatleben zurückzuziehen, eine entscheidende Rolle. Hinsichtlich der unterschiedlichen Entwicklung von Stadt und Land im Freistaat ist festzustellen, dass dies Ergebnis einer verfehlten Siedlungspolitik der vergangenen Jahrzehnte ist. Während der Zuzug in die Städte nicht abreißt, ist der ländliche Raum von Abwanderung und Leerständen geprägt. Insbesondere ältere Menschen bleiben in zu großen Einfamilienhäusern in Siedlungen auf dem Land zurück, während gleichzeitig die Nahversorgung in den Dorfzentren wegbricht.
Hier gilt es Anreize zu schaffen, das Wohnen und die Gebäude den Lebensphasen anzupassen. Gemeinschaftliche Wohnprojekte sind hierzu ein geeigneter Ansatz, die sich auch auf dem Land verwirklichen lassen. Damit dies gelingt, braucht es nicht nur entsprechende Beratungsangebote, sondern auch den politischen Willen, derartige Projekte umzusetzen. Die Initiative hierzu kann aber nicht von oben aufgestülpt werden, sondern muss von den Menschen vor Ort getragen und gelebt werden, so Moderator Jürgen Mistol abschließend.