Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen!
Dass offensichtlich viele Autofahrerinnen und Autofahrer noch immer nicht wissen, wie man nach einem Unfall so schnell wie möglich eine Rettungsgasse bildet, ist ein Problem. Dabei besteht die Pflicht zur Bildung von Rettungsgassen nicht erst seit gestern. Auch beim katastrophalen, wirklich tragischen Busunglück vom vergangenen Montag auf der A 9 bei Münchberg – hier schließe ich mich für die GRÜNEN-Fraktion den Worten der Anteilnahme von Frau Kollegin Gottstein an – scheint nach Aussagen der Rettungskräfte das Bilden einer Rettungsgasse erneut ein Problem gewesen zu sein mit der Folge, dass wertvolle Zeit verstrichen ist, bis die Rettungs- kräfte endlich zur Unfallstelle vordringen konnten. Nicht nur die Unfallopfer sind durch ein solches Verhalten der Autofahrer gefährdet, sondern auch die Rettungskräfte selbst.
Kolleginnen und Kollegen, mit Inkrafttreten der Neuregelung von § 11 der Straßenverkehrsordnung Anfang dieses Jahres wurde die Regelung zur Bildung von Rettungsgassen noch einmal präzisiert. Allerdings – das muss man deutlich sagen – blieb die Sanktion bei Verstößen gegen § 11 der Straßenverkehrsordnung unangetastet. Noch immer beträgt das Bußgeld 20 Euro. 20 Euro liegen im Bereich der geringfügigen Ordnungswidrigkeiten. Aus unserer Sicht ist das ein wirklich lächerlich geringer Betrag. Das widerspricht der besonderen Bedeutung, die das Bilden der Rettungsgasse hat.
(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der FREIEN WÄHLER)
Zum Vergleich: Wer eine rote Ampel überfährt, wird bereits mit 90 Euro belangt, bei Gefährdung sogar mit 200 Euro und einem Monat Fahrverbot. Wenn Sachbeschädigung hinzukommt, sind 240 Euro und ein Monat Fahrverbot fällig. Die Sanktion für das Nichtbilden einer Rettungsgasse muss im Bußgeldkatalog, in der entsprechenden Verordnung, deutlich erhöht wer- den. Aus unserer Sicht ist das wirklich kein Kavaliersdelikt.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Kolleginnen und Kollegen, noch am Montag, dem Tag des Unglücks in Münchberg, allerdings vor dem Un- glück, hielt Verkehrsminister Dobrindt entgegen der Forderung der Länder im Bundesrat an einer Bußgeldhöhe von 55 bis maximal 115 Euro fest. Kollegin Gottstein hat schon auf Österreich verwiesen. Fehlverhalten wird dort mit Geldbußen bis zu 2.180 Euro geahndet. Aus unserer Sicht ist klar: Eine Strafe muss wehtun. Maximal 115 Euro sind sehr wenig. Die Forderung der Länder beträgt jetzt 165 Euro. Das ist auch nicht so viel wie in Österreich, noch lange nicht in diesem Bereich. Aber es ist zumindest deutlich mehr. Wir müssen halt immer schauen, dass das Bußgeld zu den anderen Sanktionen in einem ungefähr vergleichbaren Rahmen ist. Aber wie gesagt: Strafe muss wehtun. Wir halten diese 165 Euro, die jetzt im Bundesrat auf dem Tisch liegen, für eine deutliche Verbesserung.
Ich bin froh darüber, dass sich die Kolleginnen und Kollegen von der CSU in ihrem vorliegenden Antrag als Reaktion auf den Busunfall ebenfalls für höhere Strafen aussprechen. Wir haben das Thema schon
vor einem Monat hier im Plenum und auch im Innenausschuss ausgiebig debattiert. Herr Kollege Rotter, in dem Dringlichkeitsantrag von vor einem Monat konnten Sie sich gerade mal zu der Forderung hinreißen lassen, dass die Erhöhung von Bußgeldern über- prüft wird. Jetzt sind wir einen Schritt weiter. Es freut mich, dass Sie sich unter dem Eindruck des Geschehens vom Montag einer dieser Forderungen annähern, die wir als Oppositionsfraktionen gemeinsam er- hoben haben. Aber ich muss nochmal darauf hinweisen: Es ist jetzt gerade mal diesen einen Monat her, dass wir an dieser Stelle über diesen Dringlichkeitsantrag diskutiert haben. Das war übrigens nicht das erste Mal, auch nicht im Innenausschuss. Wir haben schon x-mal über das Thema gesprochen. Wir haben uns immer wieder im Kreis gedreht und keine gemeinsame Lösung auf den Weg gebracht, weil Sie von der CSU auch sinnvolle Vorschläge der Opposition regelmäßig ausgeschlagen haben. Es reicht halt nicht, wenn man es bei der Ankündigung von Einzelprojekten und Modellversuchen belässt. Das ist uns zu unverbindlich. Das ist zu unausgegoren. Wir brauchen endlich eine durchschlagende Initiative. Es müssen ganz konkrete, flächendeckende Maßnahmen umgesetzt werden.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Kolleginnen und Kollegen, klar ist: Höhere Strafen al- lein werden das Problem nicht lösen. Weitere flankierende präventive Mittel sind nötig, um bei Stau und stockendem Verkehr das richtige Verhalten ins Bewusstsein der Kraftfahrzeugnutzerinnen und –nutzer zu rufen. Wir machen heute mit unserem Dringlichkeitsantrag erneut entsprechende Vorschläge.
Der Kollege Rotter hat mir im Vorfeld Folgendes signalisiert: Wenn wir den Spiegelstrich Nummer vier streichen würden, dann könnte die CSU unserem An- trag folgen. Wir werden dem nachkommen und streichen den Spiegelstrich vier. In diesem Spiegelstrich rufen wir nicht unser Hauptthema auf. Wir werden den Anträgen der FREIEN WÄHLER und der CSU eben- falls zustimmen. Beim SPD-Antrag werden wir uns enthalten. Der Kollege Schuster lacht, weil er weiß, warum. Wir haben es im Innenausschuss besprochen: Bei der Halterhaftung sind wir anderer Auffassung. Wir wollen das nicht aufrufen. Insofern werden wir uns da enthalten.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Klaus Adelt (SPD): Kollege Jürgen Mistol, ich will vo- rausschicken: Ich komme aus dem Landkreis Hof. Ich habe am letzten Montag abends um sechs Uhr mit den Rettern gesprochen. Aber das ist nicht das Thema der Zwischenfrage. – Meine Frage lautet: Wie stellen sich die GRÜNEN die Sünderermittlung vor, also die Ermittlung derjenigen, die gegen die Bildung einer Rettungsgasse verstoßen? Sollen das die Polizisten machen, die direkt beim Unfall stehen? Sollen das andere Anwesende machen und aufzeichnen, fotografieren oder mit Handys fotografieren? Was nützen die höchsten Strafen, wenn ich niemandes habhaft werden kann? Deshalb haben wir die Forderung nach Halterhaftung aufgestellt. Es ist die Forderung da, die Rettungsgassensünder zu erfassen. Diese lachen sich ins Fäustchen. Ich fahre die Strecke jede Woche und erlebe an dieser Stelle jede Woche einen Stau. Kein Mensch oder ganz wenige kümmern sich darum, weil sie a) wissen, dass nichts passiert, und b), dass sie nicht einmal erfasst werden. Wie stellen Sie von den GRÜNEN sich die Erfassung der Sünder vor?
Jürgen Mistol (GRÜNE): Herr Kollege Adelt, wir haben es im Innenausschuss besprochen. Es gibt erhebliche juristische Bedenken gegen eine Änderung der Halterhaftung. Diese Bedenken bewegen uns dazu, die Halterhaftung nicht zu ändern. Bei solchen Einsätzen haben die Rettungskräfte oft selbst eine Kamera an Bord und filmen. Dann sieht man, welche Fahrzeuge tatsächlich im Weg stehen. Insofern hat man da entsprechende Möglichkeiten, dem Ganzen abzuhelfen.
(Beifall bei den GRÜNEN)