Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen!
Gestatten Sie mir noch ein Vorwort. Herr Kollege Adelt, ich finde es schön, dass Sie von der SPD so stolz darauf sind, als Erste einen Gesetzentwurf vorgelegt zu haben.
(Zuruf des Abgeordneten Dr. Paul Wengert (SPD))
- Ich finde es schon sehr bemerkenswert, Herr Kollege Dr. Wengert, dass Sie Ihren Gesetzentwurf nur we- nige Stunden nach dem Ende der Anhörung einge- reicht haben.
(Dr. Paul Wengert (SPD): Mit Vorarbeit und Nacharbeit!)
Wie Sie das hinbekommen haben, finde ich schon klasse, wie Sie die Argumente der Expertinnen und Experten nochmals gegeneinander abgewogen haben, in der Fraktion um die beste Lösung gerungen haben, auch noch mit Ihren Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern diskutiert haben – und das alles in nur wenigen Stunden. Chapeau, SPD! – Das finde ich wirklich große Klasse.
(Heiterkeit bei den GRÜNEN – Josef Zellmeier (CSU): Da sieht man einmal, wer qualifiziert arbeitet!)
Kolleginnen und Kollegen, wir hören seit Jahren von Ungerechtigkeiten bei der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen. Dass die Gemüter im Freistaat bei diesem Thema erhitzt sind, hat auch die Anhörung verdeutlicht. Sie ist auch vonseiten der Öffentlichkeit teilweise sehr emotional begleitet worden. Ich möchte darauf hinweisen, dass sie aufgrund einer interfraktionellen Initiative zustande gekommen ist. Anlass der Anhörung war, dass sich in der Bürgerschaft seit einiger Zeit Widerstand gegen die Heranziehung zu Straßenausbaubeiträgen in Form einmaliger Beiträge regt, zumal sich diese nicht selten im fünfstelligen Bereich bewegen können. Einkommensschwache Menschen wie die viel zitierte alleinstehende ältere Dame mit einer monatlichen Rente von 600 Euro, die auf einem
sehr großen Grundstück wohnt, bringt man so natürlich schnell in existenzielle Nöte, obwohl die Kommune auch heute schon eine Stundung gegen null beschließen könnte. Allerdings sind die bayerischen Kommunen – deswegen ist es gut, dass alle vier Gesetzentwürfe nicht die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge fordern – angesichts ihrer angespannten finanziellen Situation auf die Beiträge zur Durchführung der Straßenausbaumaßnahmen angewiesen. Das haben die kommunalen Spitzenverbände in der Anhörung deutlich gemacht.
Das Innenministerium prognostiziert für das kommunale Straßennetz aufgrund des Alters und des Zustands der Straßen einen jährlichen Investitionsbedarf von 500 Millionen Euro. Wir GRÜNE sind daher eben- falls der Auffassung, dass eine ersatzlose Abschaffung der Straßenausbaubeiträge nicht tragbar wäre, zumal das insbesondere finanz- und strukturschwache Gemeinden besonders hart treffen würde. Auch alternativen Finanzierungsmodellen aus allgemeinen Haushaltsmitteln erteilen wir eine Absage; denn sie hätten eine Erhöhung der Steuern zulasten der Allgemeinheit zur Folge. Irgendjemand muss den Ausbau schließlich bezahlen. Letztlich entsteht den Anliege- rinnen und Anliegern durch Maßnahmen zur Verbesserung und Erneuerung der Ortsstraßen auch ein individueller Nutzen. Auch die Forderung, die Grundsteuer zu erhöhen, die von einigen Verbänden erhoben wurde, erscheint aufgrund des unterschiedlichen Steueraufkommens im Freistaat Bayern und fehlender Zweckbindung als ungeeignet.
Das Bundesverfassungsgericht hat im vergangenen Jahr wiederkehrende Straßenausbaubeiträge – diese fordern jetzt alle – bei konkret individueller Zurechnung eines Sondervorteils für zulässig erklärt. Daher stand diese Form der Beitragserhebung im Mittel- punkt der Anhörung; sie ist auch Kern aller drei Gesetzentwürfe. Das ist auch gut so. Klar ist aber auch, dass die Entscheidung darüber, welche Form der Beitragserhebung – einmalig oder wiederkehrend – ge- recht und praktikabel ist, im Ermessen der Kommune liegen soll.
Die mangelnde Information der Bürgerinnen und Bürger im Vorfeld der Planungen und der Durchführung der Straßenausbaumaßnahmen sorgt bei vielen Kritikerinnen und Kritikern der Straßenausbaubeiträge für Unmut. Ihr Gesetzentwurf, liebe Kolleginnen und Kol- legen von der SPD, sieht eine Informationspflicht vor. Auch wir GRÜNE halten die Einführung einer Informationspflicht im Sinne einer demokratischen und bürgerfreundlichen Verwaltung für dringend erforderlich. Durch eine frühzeitige Information über geplante Straßenausbaumaßnahmen können sich die Betroffenen auf den zu erwartenden Beitragsbescheid und die Abgabe einstellen.
Aus unserer Sicht ist auch das Recht, Einblick zu nehmen und Anregungen vorzubringen, ganz wichtig – am besten in einer Anhörung vor Beginn der Maßnahme und vor der Beschlussfassung im Gremium. Das würde die Akzeptanz entsprechend fördern und könnte zur Fehlervermeidung beitragen. – Schließlich ist uns noch wichtig, dass bei einer solchen Anhörung verschiedene Ausbauvarianten diskutiert werden können. Sonst kommt nämlich immer der Vorwurf, man betreibe Luxussanierung. Bei unserem Vorschlag kann man das diskutieren: Wollt ihr es so oder anders haben? – Zwar hat man dann am Anfang die Diskussion in der Kommune, aber später nicht mehr die Probleme, wie sie heute oft viele Kommunen haben.
Wir GRÜNE, Herr Kollege Adelt, sprechen uns tat- sächlich für Höchstgrenzen, gemessen am Grundstückswert, aus, weil es eben Fälle gibt, in denen die Beitragshöhe in keinem Verhältnis zum eigentlichen Grundstückswert steht. Wir halten das für sachgerecht; so ist es.
Ein interessantes Ergebnis der Anhörung ist zudem, dass derzeit lediglich 72 % der bayerischen Kommunen Straßenausbaubeiträge erheben, obwohl von der Soll-Vorschrift laut Gesetz eigentlich nur in gut begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden sollte. Da tun sich auch große regionale Unterschiede auf. In Unterfranken verfügen fast alle Kommunen über eine Straßenausbaubeitragssatzung, und in Niederbayern sind es gerade einmal 39,1 %. Darin liegt natürlich ein gewisses Akzeptanzproblem, und hier wäre eine einheitliche Regelung für alle Kommunen wünschens- wert, die Rechtsklarheit und Rechtssicherheit schafft. Weil das jedoch die kommunale Selbstverwaltung letztendlich zu stark einschränken würde, haben auch wir GRÜNE von einer Muss-Regelung abgesehen, obwohl wir das aus Gerechtigkeitsgründen fraktionsintern eingehend diskutiert haben. Das setzt allerdings auch voraus, dass die Vollzugsdefizite der Vergangenheit nicht fortgesetzt werden.
Kolleginnen und Kollegen, dass alle Fraktionen einen Gesetzentwurf zur Änderung des KAG vorgelegt haben, bestätigt, dass ein Festhalten am Status quo nicht länger vertretbar ist. Alle Initiativen stimmen darin überein, dass sie die Einführung wiederkehren- der Straßenausbaubeiträge als Alternative zur einmaligen Beitragserhebung vorsehen. Bei der Ausgestaltung der Informationspflicht und der Bürgerbeteiligung gibt es jedoch Unterschiede. Da geht der Gesetzentwurf der GRÜNEN deutlich weiter. Die Unterschiede gilt es dann im Ausschuss zu diskutieren.
(Beifall bei den GRÜNEN)