Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen!
Zunächst möchte ich mich bei der SPD- Fraktion dafür bedanken, dass sie das Thema "Wohnen" heute auf die Agenda gesetzt hat. Die Wohnungsfrage betrifft uns alle, denn bei diesem Thema geht es um nichts weniger als um den sozialen Zusammenhalt. Jeder Bewohner Bayerns – so steht es in der Bayerischen Verfassung – hat das Anrecht auf eine angemessene Wohnung. Ich füge hinzu: Auch diejenigen mit schmalem Geldbeutel haben dieses Anrecht.
Unabhängig davon, wer die künftige Bundesregierung stellen wird, sage ich: Ein Aufbruch in Richtung von mehr bezahlbarem Wohnraum kann nur gemeinsam gehen. Wir brauchen deswegen einen Dreiklang aller politischen Ebenen von Bund, Land und Kommunen, um hier erfolgreich zu sein. Ich möchte den Bund dabei nicht aus der Verantwortung entlassen, die Kompensationsmittel für die Wohnraumförderung auch über das Jahr 2019 hinaus fortzuführen. Zuvorderst – das ist richtig – ist seit der Föderalismusreform der Freistaat für die Wohnraumförderung zuständig. Man muss feststellen, dass der Wohnungspakt Bayern, der vor etwa zwei Jahren verkündet worden ist, nicht greift und finanziell nur ungenügend ausgestattet ist. Das muss man dazu sagen.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Kolleginnen und Kollegen, bis 2019 sollen, so ist es angekündigt, bis zu 28.000 neue und staatlich finanzierte, geförderte Mietwohnungen entstehen. Doch von den jährlich geplanten 7.000 neuen Mietwohnungen konnte im letzten Jahr gerade einmal die Hälfte fertiggestellt werden. Gleichzeitig hat der Freistaat die Landesmittel für 2017 von 158 Millionen Euro auf 87 Millionen Euro nahezu halbiert, während der Bund seine Unterstützung verdoppelt hat. Aus unserer Sicht verdient diese Wohnungspolitik das Prädikat "nach- haltig" nicht einmal annähernd.
(Horst Arnold (SPD): Das ist aber sehr vornehm ausgedrückt!)
Wir GRÜNE fordern zudem, dass der Wohnungspakt über die vier zugesagten Jahre hinaus verlängert wird, damit die Unternehmen, die die Wohnungen bauen sollen, auch für die Zeit ab 2019 Planungssicherheit haben. Man muss sich vorstellen: Sie müssen Personal einstellen und Kapazitäten aufbauen. Da muss man wissen, ob es danach noch weitergeht. Die Regierung bzw. Staatsminister Herrmann müsste das Signal aussenden, dass es nach 2019 weitergeht.
Falls wir GRÜNE nach 2019 in der Regierung sind – ich rede nicht vom Bund, sondern von Bayern –,
(Beifall bei den GRÜNEN)
kann ich jetzt schon zusagen, dass wir den Wohnungspakt Bayern auf jeden Fall fortführen werden und finanziell sogar noch ordentlich draufsatteln wer- den.
(Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf von der SPD: Liebe Leute!)
Der Anstieg von Baufertigstellungen von 1,2 % auf jetzt rund 54.000 Wohnungen in 2016 ist angesichts des jährlichen Bedarfs von circa 70.000 Wohnungen verschwindend gering und liegt deutlich hinter den Erwartungen. Obendrein haben wir in Bayern auch bei der Bautätigkeit ein massives Stadt-Land-Gefälle. Während in den Ballungsräumen Wohnungen fehlen, werden in den ländlichen Regionen weit mehr Wohnungen gebaut, als eigentlich notwendig wäre. In einigen Regionen, etwa in den Landkreisen Hof oder Tirschenreuth sind die Wohnungen immer weniger wert, sodass es dort Leerstände gibt. Wir brauchen eine Politik, die solche Regionen stärkt. Es würde auch den Wohnungsbedarf in den Ballungsregionen mindern, wenn man an anderer Stelle Perspektiven schafft.
Auch bei der Förderung des ländlichen Raumes hat die CSU keine Erfolge vorzuweisen.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Neben der Berücksichtigung unterschiedlicher regionaler Baubedarfe ist auch der Grundsatz "Innen- vor Außenentwicklung" konsequent zu berücksichtigen. Schon um Fläche zu sparen, werden wir deswegen nicht darum herumkommen, gerade in den Ballungsräumen dichter und höher zu bauen, wenn wir mehr Wohnraum schaffen wollen.
Kolleginnen und Kollegen, alles in allem stimmen wir dem Antrag der SPD gern zu. Die Zielrichtung stimmt. Wir bitten gleichzeitig bei allen Fraktionen – nur nicht bei der SPD-Fraktion, die diese schon zugesagt hat – um Unterstützung unseres Antrags. Wir GRÜNE lassen nicht zu, dass Menschen mit geringem Einkommen im Wettbewerb um knappen Wohnraum auf der Strecke bleiben.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Jürgen Mistol (GRÜNE): Herr Staatsminister, Ihre Rede, die Sie gerade geliefert haben, war geradezu eine Bewerbungsrede für ein Bundesbauministerium als neues eigenständiges Ministerium. Herr Rotter hat das schon erkannt.
Staatsminister Joachim Herrmann (Innenministerium): Damit hat der Kollege Rotter übrigens sehr Recht. Die Zusammenlegung des Bundesbauministeriums mit dem Bundesumweltministerium hat dem Wohnungsbau nicht gutgetan.
(Georg Rosenthal (SPD): Also doch eine Bewerbungsrede!)
Da müssen Sie dem Kollegen Rotter recht geben.
Erster Vizepräsident Reinhold Bocklet: Herr Kollege Mistol, Sie haben das Wort.
Jürgen Mistol (GRÜNE): Dialoge sind immer ganz nett, aber ich möchte jetzt doch meine Zwischenbemerkung machen. Sie haben gesagt, das Volksbegehren gegen einen Flächenverbrauch würde die Bautätigkeit zum Erliegen bringen. Das ist natürlich grober Unfug, um Sie mit Ihrem eigenen Ausdruck zu zitieren.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Der Flächenverbrauch ist in den Ballungsräumen kein großes Thema. Die Verantwortlichen in den Ballungs- räumen wissen schon seit Längerem, wie sie mit ihren knappen Flächen umgehen. Dort wird mit den Flächen mittlerweile auch sehr sparsam umgegangen. In den Ballungsräumen haben wir das Problem des Flächenverbrauchs nicht. Der Flächenverbrauch ist ein Thema der peripheren Regionen. Dort wird die meiste Fläche verbraucht. Schauen Sie sich die Zahlen genau an. In diesen Regionen haben wir den größten Handlungsbedarf. Das ist vielleicht auch ein Grund dafür, dass sich der Städtetag zu diesem Thema bis- her noch nicht geäußert hat. Der Flächenverbrauch ist dort, wo Wohnungen entstehen müssen, nicht das Problem. Das bitte ich Sie, zur Kenntnis zu nehmen.
Zweitens haben Sie gesagt, dass das, was das Insti- tut der deutschen Wirtschaft Köln zur Bautätigkeit in den ländlichen Regionen gesagt hat, grober Unfug wäre. Ich nehme solche Studien nicht einfach für bare Münze, sondern gehe mit den darin genannten Kriterien sehr kritisch um. Ich frage Sie aber, ob wir schon heute Regionen in Bayern haben, in denen es Leerstände nicht unerheblichen Ausmaßes gibt. Als Bei- spiele nenne ich nur den Landkreis Tirschenreuth, den Landkreis Hof oder die Stadt Waldsassen. Wenn Sie dort in den 1970er-Jahren ein Eigenheim gebaut haben, können Sie es heute nicht mehr verkaufen, weil Sie keinen Käufer dafür finden. Das ist schon ein Problem. Da frage ich mich, ob es die richtige Strategie ist, in diesen Regionen auf den Neubau von Eigenheimen zu setzen. Das geht mir nicht so ganz ein.
Erster Vizepräsident Reinhold Bocklet: Herr Kollege, darf ich Sie an die Zeit erinnern?
Jürgen Mistol (GRÜNE): Gerade in diesen Regionen veröden die Ortskerne, und deshalb können wir es auch nicht wollen, dass dort außen herum gebaut wird.
Vorläufiges Plenarprotokoll 17/111
(Beifall bei den GRÜNEN)
Erster Vizepräsident Reinhold Bocklet: Danke schön. – Herr Staatsminister, Sie haben das Wort.
Staatsminister Joachim Herrmann (Innenministerium): Lieber Herr Kollege Mistol, ich greife diese The- men gerne auf und fange beim zuletzt angesproche- nen an. Das ist das Beispiel des Landkreises Tirschenreuth. Hier haben Sie gerade einen der weni- gen Landkreise angesprochen, in dem die Bevölkerungszahl in der Tat rückläufig ist. Das ist nur bei ganz wenigen Landkreisen in Bayern so. Nun haben wir gerade für den Landkreis Tirschenreuth und für die an- grenzenden Landkreise Wunsiedel, Hof und Kronach ein super Sonderförderungsprogramm aufgelegt. Damit wollen wir die vorhandenen Ortskerne revitalisieren und Leerstände wiederbeleben. Mit diesen speziellen Fördermitteln kann auch leerstehender Wohnraum modernisiert werden und neues Leben in die Sache kommen. Hier unterstützen wir also gerade nicht Flächenausuferung, sondern die Revitalisierung der Ortskerne. Das findet bei den Gemeinden riesigen Zuspruch. Die Förderquote liegt hier bei 90 %, sodass die Kommunen genau in diesem Bereich unterstützt werden können.
Lieber Herr Mistol, mit Verlaub, Sie wissen doch auch, dass die Situation in Kronach, Wunsiedel, Tirschenreuth nicht gerade typisch für ganz Bayern ist. Für die allermeisten Landkreise in Bayern ist das genaue Gegenteil typisch. Wenn nun das Institut der deutschen Wirtschaft nur von solchen Landkreisen gesprochen hätte, hätte ich damit kein Problem. Das Institut be- hauptet in seiner Studie aber für drei Viertel aller bayerischen Landkreise es sei falsch, dass hier im Moment gebaut werde. Das ist doch totaler Unfug. Gehen wir einmal von der Region, in der ich zu Hause bin, aus: Selbst vom Landkreis Erlangen-Höchstadt wird behauptet, es würde viel zu viel in der Fläche gebaut. Das ist aber ein Landkreis, der eine Arbeitslo- senquote von etwa 1 % hat, in dem beinahe Vollbeschäftigung herrscht. Hier gibt es auch ständig Zuzug. Und jetzt kommt so ein Institut daher und behauptet, in diesem Landkreis seien zu viele neue Häuser gebaut worden. Entschuldigung, das geht doch wirklich völlig an der Realität in unserem Land vorbei. Ich maße mir nicht an, die Situation in Brandenburg oder in Niedersachsen beurteilen zu können. Ich behaupte aber, dass die Äußerungen des Instituts der deutschen Wirtschaft für den Freistaat Bayern einfach Unfug sind. Ich spreche das nur deshalb an, weil es schädlich ist. Hier gibt es allerlei Auswirkungen, etwa auf die Bedingungen der Kreditvergabe von Raiffei- senbanken und Sparkassen. Letztere müssen sich dann bei ihren Aufsichtsbehörden entsprechend rechtfertigen. Möglicherweise liest die Aufsichtsbehörde nämlich eine solche Studie, die von baldigen Leerständen spricht, und kommt dann zu der Einschätzung, Kreditvergaben seien hier gefährlich. Herr Kollege Nussel, im Landkreis Erlangen-Höchstadt steht in den nächsten Jahren und auch in zwanzig Jahren überhaupt nichts leer. Nur deshalb spreche ich das an, weil wir uns mit so etwas kritisch auseinandersetzen müssen.
(Beifall bei der CSU)