Nach der Lektüre von CETA ist klar: Die kommunale Wasserversorgung kann liberalisiert und am Ende auch privatisiert werden, die Zulassungsvoraussetzungen für Gentechnik sollen herabgesetzt werden und das europäische Vorsorgeprinzip spielt im CETA keine Rolle.
Deshalb haben die Landtags-Grünen diese Woche im Ausschuss für Europaangelegenheiten mit drei Anträgen die Staatsregierung aufgefordert, CETA im Bundesrat abzulehnen,
• falls die Wasserversorgung nicht rechtssicher aus dem Anwendungsbereich von CETA ausgeschlossen und damit eine Liberalisierung der Wasserversorgung möglich ist, (Antrag)
• falls über CETA Gentechnik nach Bayern kommen kann (Antrag) und
• falls das Vorsorgeprinzip durch CETA ausgehöhlt werden kann. (Antrag)
Drei Anträge also, bei denen eigentlich davon auszugehen ist, dass auch die CSU ihnen zustimmt. Denn sie hat selbst in allen drei Bereichen so genannte „Rote Linien“ eingezogen, die besagen, dass Freihandelsabkommen an diesen drei Bereichen nicht rütteln dürfen. Das ist im Übrigen auch Beschlusslage des Bayerischen Landtags. Aber selbst wenn die CSU der Ansicht wäre, dass das alles durch CETA nicht gefährdet ist, hätte sie den Anträgen zustimmen können, denn dann wäre ja alles gut und die Anträge wären aus deren Sicht problemlos erfüllbar.
Und was passiert? Die CSU lehnt alle drei Anträge ab.
Das bedeutet also: Die CSU-Regierung will im Bundesrat für das Freihandelsabkommen CETA stimmen, auch wenn durch dieses Abkommen die Trinkwasserversorgung liberalisiert wird, Gentechnik nach Bayern kommt und das Vorsorgeprinzip ausgehebelt wird.
„Wir wissen nun, dass die angeblichen Roten Linien der CSU-Regierung nicht existent sind“, resümiert Jürgen Mistol, kommunalpolitischer Sprecher der Landtags-Grünen. „Für die Bürgerinnen und Bürger, aber auch für die kommunalen Versorgungsbetriebe heißt das, dass ihnen weiter die Privatisierung der Wasserversorgung droht. Bisher waren wir uns fraktionsübergreifend einig, dass die Privatisierung des Trinkwassers bei CETA rechtssicher ausgeschlossen und das Vorsorgeprinzip ebenso wie die Gentechnikfreiheit aufrechterhalten werden müssen.“
Aber es kam noch schlimmer: Die CSU behauptete in der Ausschusssitzung tatsächlich, dass im CETA „keine Marktöffnung im Bereich der Daseinsvorsorge möglich“ sei. Da hat wohl jemand den Sinn eines Freihandelsabkommens nicht verstanden, denn gerade die Marktöffnung (also der freie Zugang zu allen Märkten, letztendlich auch zu kommunalen Dienstleistungen, also auch der Daseinsvorsorge wie der Wasserversorgung) ist eines der zentralen Ziele der Abkommen.
Noch grotesker wurde es, als die CSU behauptete, die Gentechnikfreiheit sei über CETA besser geschützt als in der bestehenden europäischen Gesetzgebung. CETA als Verbraucherschutzabkommen? Glaubt das die CSU wirklich?
Beide Aussagen widersprechen nicht nur diametral dem Wortlaut und vor allem dem Sinn des CETA, auch unzählige Studien sagen etwas völlig anderes aus. Aber die CSU weiß das natürlich alles besser. Alle, die das CETA tatsächlich gelesen und verstanden haben, konnten sich in der Ausschusssitzung über so viel blanken Unsinn nur wundern.
So wird es also kommen wie befürchtet: Die CSU wird CETA zustimmen, egal welche Folgen das hat und gleichgültig, ob damit angebliche und vorher immer öffentlichkeitswirksam dargestellte CSU-Positionen über den Haufen geworfen werden. Wer die absolute Mehrheit hat, glaubt eben machen zu können, was er will.
Jürgen Mistol: „Wir Grünen werden uns weiter einsetzen für den Erhalt der Wasserversorgung in kommunaler Hand, die Gentechnikfreiheit und das Vorsorgeprinzip. Das heißt: Nein zu CETA! Wir setzen uns weiter gegen die Ratifizierung von CETA ein. Und deshalb werden wir auch das Bayerische Volksbegehren gegen CETA unterstützen, für das an diesem Freitag die Unterschriften beim Innenministerium eingereicht wurden.“
Hintergrund:
Bei der Wasserversorgung hat die EU lediglich „Vorbehalte“ ins CETA geschrieben. Da steht, dass die EU im Bereich der Wasserversorgung Maßnahmen ergreifen oder aufrechterhalten kann. Sogar CETA-Befürworter gestehen zu, dass damit jede Form der Marktöffnung möglich ist. Gleichzeitig stehen im CETA „Schwellenwerte“ für den Bereich der Wasserversorgung. Das heißt, falls jemand seine Wasserversorgung ausschreibt (also dem Markt öffnet), ist schon festgelegt, ab welchem Betrag auch in Kanada ausgeschrieben werden muss. Warum sollte man sowas ins CETA schreiben, wenn die Wasserversorgung laut CSU nicht dem Markt geöffnet werden kann?
Und bei der Abwasserentsorgung steht sogar im CETA, dass es zu „weiteren gegenseitigen Verpflichtungen“ kommen kann. Das heißt nichts anderes, als dass hier der Markt geöffnet werden soll.
Und schließlich steht im CETA, dass die kommerzielle Nutzung von Wasservorkommen mit dem Abkommen in Einklang steht. Der Liberalisierung und damit auch der späteren Privatisierung der Wasserversorgung ist also durch CETA Tür und Tor geöffnet. Seit letzter Woche wissen wir nun auch, dass die Zusatzvereinbarung, von denen Sigmar Gabriel gesprochen hat, die „Joint Interpretative Declaration“, keinerlei Änderung der Sachlage erbracht hat. Dort steht lediglich, dass über CETA niemand gezwungen wird, seine Wasserversorgung zu kommerzialisieren. Das möchten wir auch hoffen! Aber das heißt nicht, dass man es nicht machen kann. Das alles soll aber laut CSU gleichzeitig eine Marktöffnung im Bereich Wasser verhindern?
Das ist offensichtlicher Unfug.
Bei der Gentechnik steht im CETA wörtlich (neben vielen anderen ähnlichen Formulierungen) als „gemeinsames Ziel“: „Zusammenarbeit in Regulierungsfragen zur Reduzierung der nachteiligen Handelsauswirkungen der Regelungspraxis im Bereich Biotechnologieerzeugnisse.“ Das bedeutet, dass die Zulassungsvoraussetzungen herabgesetzt werden sollen. Als „gemeinsames Interesse“ ist dargestellt: „Zulassung von Biotechnologieerzeugnissen im Gebiet der Vertragsparteien, soweit angezeigt auch künftige Anträge auf Produktzulassungen, die für die eine oder andere Seite von kommerziellem Interesse sind.“ und „kommerzielle und wirtschaftliche Perspektiven für künftige Zulassungen von Biotechnologierzeugnissen.“ Das bedeutet, dass aus reinem Gewinninteresse von Konzernen Gentechnikprodukte zugelassen werden sollen. Wenn CETA vor Gentechnik schützen soll, warum steht dann so etwas drin? Solche Formulierungen stellen laut CSU einen umfangreichen Schutz vor Gentechnik dar! Das zeugt von bewusster Irreführung – oder von absoluter Unwissenheit über die Inhalte des CETA.
Das Vorsorgeprinzip besagt, dass bei uns ein Produkt erst dann auf den Markt kommen darf, wenn seine Unschädlichkeit absolut sicher bewiesen ist. Das nordamerikanische „wissenschaftsbasierte Zulassungsverfahren“ dagegen geht davon aus, dass alles zugelassen werden kann, dessen Schädlichkeit nicht einwandfrei bewiesen ist. Im CETA ist der Begriff „Vorsorgeprinzip“ nicht zu finden, dafür folgendes (wieder als „gemeinsames Ziel“): „Förderung effizienter, wissenschaftsbasierter Zulassungsverfahren für Biotechnologieerzeugnisse“. Und es steht im CETA, dass ein solches Ziel auch auf andere Bereiche als nur Biotechnologieerzeugnisse erweitert werden kann. Das Vorsorgeprinzip spielt also keine Rolle im CETA, das wissenschaftsbasierte Zulassungsverfahren soll auch bei uns gelten.