Das Bild vom ehrenamtlichen Feierabendpolitiker war einmal, denn aufgrund der gestiegenen Komplexität der Kommunalpolitik und durch die damit verbundene zunehmende zeitliche Inanspruchnahme lässt sich das Mandat immer schwerer mit den Anforderungen der modernen Arbeitswelt vereinbaren und verliert so – insbesondere bei jungen Menschen - immer mehr an Attraktivität. Um in den Kommunalparlamenten ein ausgewogenes Abbild der Gesellschaft gewährleisten zu können, sprechen sich die Grünen deshalb für die Einführung eines gesetzlichen Freistellungsanspruchs für berufstätige Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern sowie einen Urlaubsanspruch für kommunalpolitische Bildungsveranstaltungen aus. Der grüne Antrag war maßgeblich für eine Anhörung zu diesem Thema, die bestätigt, dass ein gesetzlich normierter Freistellungsanspruch die Funktionsfähigkeit kommunaler Gremien sichert. Neben diesem Antrag hat Jürgen Mistol mehrere Nachfragen u.a. zu den Themen Bildungsurlaub und zur besonderen Situation der Mandatsträgerinnen und Mandatsträger, die beruflich in Gleitzeit, Schichtarbeit mit vollständig flexiblen Arbeitszeiten tätig sind, gestellt. Die Expertinnen und Experten betonten in der Anhörung, dass ein Freistellungsanspruch vor allem zur Rechtssicherheit beiträgt und die Position der Beschäftigten gegenüber den Arbeitgebern stärkt.
Für erheblichem Unmut von Jürgen Mistol und mehreren Ausschusskollegen sorgte das Verhalten der Kommunalen Spitzenverbände, die den vom Landtag vorgelegten detaillierten Fragenkatalog nicht beantworteten und lediglich mitteilten, dass sie keinen Regelungsbedarf sähen.
Der als Experte geladene Vorsitzende des Ausschusses für Kommunalpolitik im Landtag in Nordrhein-Westfalen berichtete von den positiven Erfahrungen mit dem gesetzlichen Freistellungsanspruch, der dort bereits seit 1969 gesetzlich verankert und längst selbstverständlich ist. Inzwischen konnte der Freistellungsanspruch auch auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit flexibler Arbeitszeit (Gleitzeit) ausgeweitet werden, um den Anforderungen der heutigen Gesellschaft besser entsprechen zu können. Während der Vertreter der Kommunalpolitischen Vereinigung der CSU, der einen gesetzlichen Freistellungsanspruch ablehnt, sich zu der Aussage verstieg, ein solcher Anspruch könnte dazu führen, dass dann Personen für die Kommunalparlamente kandidieren könnten, denen es in erster Linie um eine Freistellung von ihrer Erwerbsarbeit gehe...
Der von den Grünen benannte Experte der kommunalpolitischen Vereinigung GRIBS, Peter Gack, sowie eine Vertreterin der Wissenschaft betonten zudem, dass Fortbildungen und Qualifizierungen heutzutage einen wichtigen Beitrag zur Qualität der Ratsarbeit leisten. Während es in Bayern nicht einmal ein Bildungsurlaubsgesetz gibt, sieht die nordrhein-westfälische Gemeindeordnung für solche Zwecke einen Bildungsurlaub mit bis zu 8 Tagen pro Wahlperiode vor, was einen angemessen Kompromiss zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite darstellt. Laut Bayerischer Verfassung sollen Staat und Gemeinden den ehrenamtlichen Einsatz für das Gemeinwohl fördern. Diesen hehren Worten muss die Staatsregierung auch endlich mal Taten folgen lassen. Ein gesetzlicher Freistellungsanspruch ist ein erster und längst überfälliger Schritt, das kommunale Ehrenamt zu stärken. Deshalb halten die Grünen an ihrem Antrag fest. Zudem muss die Staatsregierung weitere Maßnahmen ergreifen, um für das Ehrenamt in der Bevölkerung zu werben und dessen Wertschätzung zu fördern. Dazu gehört auch die Transparenz der Arbeit der kommunalen Vertretungen sowie die Information für Bürgerinnen und Bürger zu vergrößern.