Der Wohnungsmarkt ist schon seit Jahren angespannt, doch jetzt erreicht die Situation für viele Menschen eine existenzielle Dimension. Denn sie wissen oftmals nicht, wo sie noch sparen sollen, um die steigende Wohnkosten zu bezahlen. Laut der ersten bundesweiten Erhebung zur Wohnungslosigkeit sind in Bayern mindestens 18.000 Menschen wohnungslos. Auch die Zahl der Zwangsräumungen im vergangenen Jahr ist um 20 Prozent gestiegen. Ein inakzeptabler Zustand für ein reiches Land wie Bayern. Ein sicheres Zuhause zu haben, ohne Angst, es nicht bezahlen oder nicht heizen zu können, das darf auch in Krisenzeiten kein Luxus sein.
Wohneigentum hingegen war schon vorher in großen Städten Bayerns für Menschen mit unteren und mittleren Einkommen unerschwinglich. Gestiegene Kreditzinsen, hohe Baupreise und die Rekordinflation machen Wohneigentum nun noch weniger erschwinglich. So haben sich die Zinsen für zehnjährige Immobilienkredite seit Jahresbeginn mehr als verdreifacht. Das hat zur Folge, dass auf den Mietmarkt ausgewichen wird, was wiederum dort den Aufwärtsdruck auf die Mieten erhöht. Aktuellen Zahlen des IW bestätigen, dass sich der Anstieg der Wohnungsmieten wieder beschleunigt. Ein hoher Bedarf an bezahlbarem Wohnraum trifft auf sinkende Leerstände in Städten. Aber auch in ländlichen Regionen, die noch vergleichsweise günstigen Wohnraum bieten, sind Aufholeffekte festzustellen.
Und deshalb ist es zu kurz gesprungen, die Diskussion heute allein auf Wohneigentum zu beschränken, sondern wir brauchen dringend ein Maßnahmenbündel, um allen Menschen in Bayern überall bezahlbares Wohnen zu sichern. Wohnen darf nicht einfach den Kräften des Marktes ausgesetzt werden, sondern der Staat muss auf allen Ebenen eingreifen und bei Schieflagen gegensteuern. Der Bund hat in der aktuellen Krise nicht nur zahlreiche Entlastungen für Bürger*innen und Bürger auf den Weg gebracht, sondern die soziale Wohnraumförderung deutlich aufgestockt. Ein Signal, das im aktuellen Entwurf Ihres Haushalts fehlt. Die Landesmittel zur Wohnraumförderung verharren trotz steigender Preise und Zinsen auf gleichem Niveau, während der Bund seine Mittel seit 2021 mehr als verdoppelt hat. Damit stehen auch im kommenden Jahr im Freistaat weniger Mittel für den geförderten Wohnungsbau zur Verfügung als 2018.
Überhaupt fällt die bisherige Bilanz Ihrer Wohnungspolitik bescheiden aus. Der Bestand an Sozialwohnungen in Bayern sinkt weiter, zwischen 2011 bis 2021 um 16 %. Weiterhin fallen mehr Wohnungen aus der Bindung als hinzukommen. (2021 gab es 3.634 Zugänge, während 5.428 Sozialwohnungen aus der Bindung gefallen sind.) Baukindergeld Plus und der Eigenheimzulage waren nichts als eine millionenschwere Gießkanne: zu teuer für die Allgemeinheit, wirkungslos in der Wohnungskrise. Mitnahmeeffekte und Preissteigerungen waren die Folge. Gebaut wurde vor allem im ländlichen Raum.
Das Mantra „Bauen, Bauen, Bauen“ allein wird die Wohnungsfrage nicht lösen und auch die Bauwirtschaft nicht retten. Angesichts der Klimakrise und dem hohen Flächenverbrauch können wir nicht immer nur auf Neubau setzen. Denn an Wohnflächen fehlt es nicht. Im Durchschnitt verfügt jede*r Bundebürger*in über 47,4 Quadratmeter Wohnraum. Das ist sehr üppig, die Flächen sind nur falsch verteilt bzw. es wird falsch gebaut. Gerade auf dem Land fehlt ein Angebot an Wohnformen jenseits vom Einfamilienhaus. Gleichzeitig bluten Ortsmitten aufgrund des sog. „Donuteffekts“ aus, während immer neue Baugebiete ausgewiesen werden. Der Trend beim Wohneigentum geht für viele Haushalte hin zur gebrauchten Immobilie.[1] Hier gilt es gezielte Anreize mit Fokus auf Innenentwicklung und Bestandserwerb zu setzen.
Das genossenschaftliche Wohnen als dritte Säule der Wohnraumversorgung – neben dem selbst genutzten Wohneigentum und dem Wohnen zur Miete – bleibt gleich gänzlich außen vor, obwohl es seit jeher einen wichtigen Beitrag zur Sicherung und Schaffung bezahlbaren Wohnraums sowie zur Bildung sozialer Nachbarschaften beiträgt. Neben der Förderung des Baus und Erwerbs von Eigenwohnraum im Bayerischen Wohnungsbauprogramm, könnte auch der Erwerb von Genossenschaftsanteilen gefördert werden. Denn auch genossenschaftlicher Wohnraum ist in Hinblick auf die Existenzsicherung mit dem individuellen Wohneigentum vergleichbar und zugleich eine günstigere Alternative. Entsprechende grüne Vorschläge wurden leider abgelehnt.
[1] Vgl. https://nachrichten.idw-online.de/2022/11/28/wohneigentum-immer-mehr-haushalte-entscheiden-sich-fuer-eine-gebrauchte-immobilie?groupcolor=1