Liebe Freundinnen und Freunde,
schön, dass ihr so zahlreich den Weg nach Regensburg gefunden habt zu eurem Landesjugendkongress „Wir sind Europas Zukunft!“. Und Recht habt ihr, ihr seid Europas Zukunft. Denn nur wenn ihr ja sagt zu Europa, werden der Europäische Gedanke und Europa überhaupt eine Zukunft haben. Denn es macht sich in den letzten Jahren viel antieuropäische Populismus breit, so auch in Bayern. Sicher Kritik muss man ernst nehmen, aber der nationalstaatliche Rahmen allein ist zu klein, um die Probleme unserer Zeit zu lösen. Deshalb müssen wir auch populistischen Anfeindungen gegen Brüssel strikt entgegentreten. Ich oute mich da gern als überzeugter Europäer. Die europäische Einigung ist eine beispiellose Erfolgsgeschichte. Gerade im hundertsten Jahr nach Beginn des 1. Weltkriegs darf man nicht vergessen, das dieser Einigungsprozess den Frieden in Europa gewährleistet.
Der Oberpfalz kommt eine besondere Rolle zu, wir sind hier ja direkt an der Grenzlinie zwischen dem westlichen und östlichen Europa, die wir 1989 endlich überwunden haben. Der Austausch zwischen der Oberpfalz und Böhmen ist seitdem enorm und beide Seiten profitieren von den Ideen der jeweils anderen. Alte Nachbarschaft erfüllt sich wieder mit Leben. Seit 1989 gibt es nach Böhmen, die jahrhundertealte Kulturlandschaft, wieder einen Einblick. Ideal für die Menschen in der Oberpfalz, aber auch für die Besucher der Oberpfalz: Mit einem Katzensprung nur ist man in der Goldenen Stadt Prag. Oder man besucht die berühmten Kurorte Franzensbad, Karlsbad und Marienbad. Viele Wander- und Radwege entlang der ehemaligen Grenzen gibt es zu erkunden.
Aber es gibt nicht nur Positives zu berichten: CSU und Staatsregierung verpassten vor dem Beitritt Tschechiens zur Europäischen Union keine Gelegenheit, die Bevölkerung davor zu warnen, dass künftig Menschen aus dem Osten den Arbeitnehmern in der Oberpfalz massenhaft die Arbeitsplätze wegnehmen würden. Und bevor Tschechien das Schengen-Abkommen unterzeichnete und die Grenzkontrollen wegfielen, machte die CSU mit der Aussicht auf wachsende Kriminalität den Menschen vor Ort regelrecht Angst. Aber die Befürchtungen, die die CSU an die Wand gemalt hatte, haben sich nicht bewahrheitet.
Mit dem im Jahr 2000 gegründeten Europaeum, dem Ost-West-Zentrum der Universität Regensburg, das die Aufgabe hat, als zentrale Einrichtung den fächerübergreifenden Dialog zwischen dem östlichen und westlichen Europa in den Bereichen Forschung und Lehre anzuregen und zu fördern, sowie den außeruniversitären Osteuropa-Forschungsinstituten, die von München nach Regensburg verlagert wurden, - um nur zwei Beispiele zu nennen – ist Regensburg als internationaler Wissenschaftsstandort an der Schnittstelle zwischen Bayern und der tschechischen Republik gut aufgestellt. Diese Bemühungen müssen aber von allen Seiten weiter unterstützt werden.
Nach Deutschland ist Tschechien die einzige Industrienation, deren Handelsbilanz einen positiven Saldo ausweist. Ein Drittel des Exports und ein Viertel des Imports tätigt Tschechien mit Deutschland. In Tschechien ist Deutschland der größte ausländische Investor. Ihr seht ohne ein gemeinsames Europa, wird es weder wirtschaftlich noch ökologisch vorangehen.
Die Herausforderungen von Nachhaltigkeit und Klimaschutz sind ohnehin nur gemeinsam in Europa zu schaffen. So zum Beispiel beim Streitpunkt um die Zukunft des Atomkraftwerks bei Temelín. Sicher ist es ein erster Erfolg, dass die geplante Erweiterung erstmals gestoppt wurde. Aber die Gefahr ist nicht gebannt. Deshalb sollte sich die bayerische Staatsregierung Österreich zum Vorbild nehmen und in einem gutnachbarschaftlichen Miteinander deutlich auf die Einhaltung europäischer Standards drängen. Und wir müssen überhaupt die Chancen einer europäischen Energiewende nutzen. Das grüne Kernthema wird zur einer der zentralen Auseinandersetzungen im Wahlkampf werden. In Brüssel werden die Weichen der ökologischen Zukunft gestellt. Es ist bisher versäumt worden, den Emissionshandel zu reformieren und eine Preisuntergrenze für CO2 einzuziehen. Wir müssen verhindern, dass die europäische Klimapolitik abgewickelt wird. Stattdessen muss Europa mit ambitionierten Klimazielen zum globalen Vorbild werden. Auf europäischer Ebene werden die Konflikte in der Energiepolitik besonders deutlich werden. Wir wenden uns gegen Merkels Blockadehaltung in der Klimapolitik genauso wie gegen Oettingers Atom- und Frackingkurs, der die EU als Abrissbirne für die Energiewende nutzen möchte.
Und wir brauchen eine europäische Sozialpolitik die gleiche Chancen und Möglichkeiten für alle gewährleistet. Denn das soziale Gefälle untergräbt die Akzeptanz von Europa. Vor allem junge Menschen leiden unter den Folgen der Eurokrise und werden am Arbeitsmarkt abgehängt und ausgeschlossen. Für sie müssen dringend neue Arbeits- und Ausbildungsplätze geschaffen werden, das ist vor allem eine strukturelle Frage. Aber es braucht eben auch Sofortmaßnahmen wie die Jugendgarantie und deutlich besser ausgestatte Sozialfonds für Jugendbeschäftigungsinitiativen für die besonders betroffenen Staaten.
Und noch ein anders wichtiges Thema: Lampedusa mahnt! Wir brauchen deutlich mehr legale Einwanderungsmöglichkeiten nach Europa.
Ganz aktuelle beschäftigt uns in den letzten Monaten die Verhandlungen zum Freihandelsabkommen mit den USA, zu dem ihr ja auch einen Antrag vorliegen habt. Ich habe das Gefühl, dass wichtige politische Entscheidungen auf EU-Ebene oft in Hinterzimmern und unter Ausschluss der Öffentlichkeit getroffen, so auch diese Verhandlungen. Die EU-Kommission lässt die Bürgerinnen und Bürger aber viele Aspekte im Unklaren, deswegen müssen diese Verhandlungen transparent gemacht werden. Und ganz ehrlich: trotz der vielen Gespräche, die ich bisher mit Vertretern der EU-Kommission oder dem amerikanischen Generalkonsul geführt hatte, konnte mir niemand plausibel machen, worin die genauen Vorteile eines solchen Abkommens lägen. Ich plädierte für die Aussetzung der Verhandlungen und einen kompletten Neustart.