Seit sechs Jahren gibt es den Lagebericht „Rechtsextremismus in Bayern“ der Grünen Landtagsfraktion und eins ist klar: Es gibt keine Entwarnung, die Gefahr von Rechts steigt. Selbst Innenminister Herrmann musste bei der Präsentation des bayerischen Verfassungsschutzberichtes erstmals einräumen, dass der Rechtsextremismus die größte Gefahr für die Innere Sicherheit darstellt. Wir sind in Bayern mit einer anhaltend hohen Gewaltbereitschaft und krimineller Energie der rechtsextremen Szene konfrontiert. Jeden Tag passieren im Freistaat zwischen fünf und sechs rechtsextreme Straf- und Gewalttaten, Tendenz steigend. Die meisten Gewaltdelikte sind rassistisch oder antisemitisch motiviert. 71 Menschen wurden im letzten Jahr Opfer rechter Gewalt und bisher kam es nur in sechs Fällen zu einer Verurteilung der Täter.
Dass rechter Terrorismus besonders gefährlich ist, zeigt der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, der antisemitisch motivierte Anschlag auf die Synagoge in Halle und das rassistische Massaker in Hanau. Auch in Bayern existiert eine akute Gefährdung durch rechte Terroranschläge. Erst im Februar 2020 hoben die Sicherheitsbehörden eine rechtsextreme Terrorzelle um den Augsburger Werner S. aus. Eine akute Bedrohung geht auch von neuen neonazistischen Terrorgruppen aus, die im virtuellen Raum global vernetzt und extrem gefährlich sind. Einer ihrer Anführer wurde im Februar 2020 im oberpfälzischen Cham verhaftet. Auch Grüne Politiker*innen wie Claudia Roth oder Cem Özdemir erhielten Morddrohungen von solchen Terrorgruppen. Es ist Zeit zu handeln, diese rechten Terrorgruppen müssen schnell zerschlagen werden. Jahrelang haben bayerische Sicherheitsbehörden überhaupt keine Gefahren durch rechten Terrorismus wahrgenommen - eine grobe Verharmlosung aus meiner Sicht. Allein 1.000 Personen gehören laut Bayerischen Verfassungsschutz zur gewaltbereiten rechtsextremen Szene. Ihnen werden schwerste Anschläge zugetraut, sie haben sich über soziale Netzwerke und Internetforen erheblich ausgeweitet und radikalisiert.
Bayern ist die Hochburg der konspirativen Aktivitäten der militanten Skinheadorganisationen ‚Blood & Honour‘ und ‚Combat 18‘. Aus deren Umfeld stammten die wichtigsten Unterstützer der Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU). Obwohl ‚Blood & Honour‘ in Deutschland bereits seit dem Jahr 2000 verboten ist, wurde der ‚bewaffnete Arm‘ der Organisation, ‚Combat 18‘, erst im Januar 2020 auf starken öffentlichen Druck durch Bundesinnenminister Seehofer verboten. Bayern, mit Schwerpunkt oberbayerisch-österreichisches Grenzland, ist nach wie vor das Zentrum dieses konspirativen Netzwerks, das illegal weiter agiert.
Auch die rassistischen Straf- und Gewalttaten gegen Migrant*innen und Geflüchtete haben 2019 stark zugenommen, von 38 Taten 2018 auf 173, darunter 23 Gewalttaten. Immer wieder kam es im vergangenen Jahr auch zu ‚Streifengängen‘ und Aktionen rechtsextremer Bürgerwehren vor oder in Flüchtlingsunterkünften. Die Zahl der Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte hat sich von 18 auf 25 erhöht.
Erschreckend ist die starke Zunahme antisemitischer Straf- und Gewalttaten. Sie hat 2019 mit 310 Taten ein neues Rekordniveau erreicht, dabei ist der hohe Anteil an jugendlichen Täter*innen mit 73 Personen sehr auffallend. Antisemitische Verschwörungstheorien haben starken Zulauf So hat der Täter des Anschlags auf die Synagoge in Halle in seinem Manifest die Juden für die Einwanderung von Muslimen nach Deutschland verantwortlich gemacht und war Anhänger der verschwörungstheoretischen QAnon-Bewegung.
Im Januar 2019 wurde die gesamte AfD vom Bundesamt für Verfassungsschutz zum ‚Prüffall‘ und zeitgleich die Parteijugend ‚Junge Alternative‘ und der völkisch-nationalistische ‚Flügel‘ der Partei zum ‚Verdachtsfall‘ erklärt. Seit März dieses Jahres gilt dies auch bundesweit für den ‚Flügel‘, der vom Bundesverfassungsschutz offiziell zum Beobachtungsobjekt erklärt wurde. Dadurch hat sich zwar der politische Druck auf die AfD erhöht, aber es werden immer noch zahlreiche AfD-Landesverbände und AfD-Fraktionen von Anhängern des ‚Flügels‘ dominiert. Und das gilt nicht nur für Ostdeutschland, sondern auch für Bayern. So stellt der ‚Flügel‘ mit Katrin Ebner-Steiner die Fraktionsvorsitzende und mit Christoph Maier den parlamentarischen Geschäftsführer der AfD im Landtag, und die neue Landesvorsitzende Corinna Miazga hat die Erfurter Erklärung, das Gründungsdokument des ‚Flügels‘, unterschrieben. Die Junge Alternative in Bayern gilt ebenfalls als sehr ‚Flügel‘ nah und hat mit Björn Höcke und Andreas Kalbitz prominente Vertreter der ‚Flügels‘ zu ihren Veranstaltungen eingeladen. Sie verfügt über enge Verbindungen zu rechtsextremen Burschenschaften und zur rechtsextremen Identitären Bewegung. Wir Grüne fordern deshalb, dass die AfD insgesamt zum Beobachtungsobjekt der Sicherheitsbehörden in Bayern erklärt werden muss.