Kaum hatte Jürgen Mistol die Unterkunft am Rand des Gewerbegebiets Hauzendorf betreten, wurde er von der Gastfreundschaft der Bewohner überrascht. Sie hatten extra für den Besuch des Abgeordneten traditionelles Essen gekocht: Hühnchen mit Kartoffeln in scharfer Soße sowie reichlich Fladenbrot und verschiedenstes Gemüse waren auf zwei langen Tischen vorbereitet. Nach dem gemeinsamen Abendessen mit den Bewohnern sowie den ehrenamtlichen Helfer*innen des „Helferkreises Gestaltende Bürger Bernhardswald“ stellte sich Jürgen Mistol im Rahmen einer sogenannten Bewohnerversammlung den Fragen der 70 überwiegend aus Syrien und dem Irak Geflohenen. Ulrike Lehner und Karlheinz Arndt, Sprecher*innen des Helferkreises, und Mamed Weli, Repräsentant der Bewohner, begrüßten Jürgen Mistol zunächst und dankten ihm für seinen Besuch, der ein starkes Signal sei – einerseits für die Öffentlichkeit, andererseits auch für die Bewohner und den Helferkreis selbst.
Vor der Fragerunde zeigte sich Jürgen Mistol überwältigt von dem Empfang: „Ich habe mit Vielem gerechnet, aber nicht damit, dass ich am gedeckten Tisch empfangen werde. Diese Gastfreundschaft werde ich so schnell nicht vergessen“. Dann stellten die Bewohner nacheinander ihre Fragen auf Deutsch, welche zusammen mit den Antworten ins Arabische und Persische übersetzt wurden. Am meisten beschäftigten die Bewohner die Fragen, wie Jürgen Mistol zu Kriegsdienstverweigerung als Fluchtgrund stehe, warum Bayern beim Thema Migration so restriktiv sei und weshalb es so viele bürokratische Auflagen gebe.
Die Anerkennung des Fluchtgrunds, nicht für ein diktatorisches Regime in den Militärdienst eintreten zu wollen, da man ansonsten möglicherweise gegen die eigenen Landsleute kämpfen müsse, sei nicht verhandelbar, so Jürgen Mistol. Es habe einen Grund, weshalb so viele Männer aus Kriegs- und Krisengebieten fliehen müssten, denn diese würden in Kriegen von autoritären Herrschern regelrecht als Kanonenfutter verwendet. Warum angesichts dessen die bayerische Staatsregierung alles dafür tue, um Migration kleinzuhalten, sei ihm unverständlich. „Deutschland ist schon immer ein Einwanderungsland. Wir sollten Zuwanderung also als Chance begreifen. Denn jährlich verlieren wir allein in Bayern 60.000 Arbeitskräfte.“ Insofern müsse auch an den Kapazitäten gearbeitet werden, damit Migrant*innen ab Tag eins in Deutschland einen Sprachkurs besuchen und Berufsberatung erhalten können. Nur durch Sprache und Arbeit sei Integration erfolgreich. Er sehe es zwar positiv, dass die neue Bundesregierung das Arbeitsverbot für Asylsuchende von sechs auf drei Monate reduziert hat, aber auch innerhalb dieser Frist sollte es bereits möglich sein, dass die Betroffenen sich auch anderweitig – beispielsweise ehrenamtlich – betätigen können. Angesichts des zunehmenden Rassismus und einer gesellschaftlichen Diskursverrohung plädierte Jürgen Mistol für mehr Austausch auf der einen und mehr demokratische Bildung auf der anderen Seite. Besonders bei der Hilfe und Integration der Geflüchteten gelte es, dass möglichst viele gemeinsam anpacken, denn davon lebe eine Demokratie: „Integration ist keine Einbahnstraße. Es müssen beide Seiten dazu beitragen, dass es gelingt.“ Auch die demokratischen Parteien nahm Jürgen Mistol stärker in die Pflicht. Der Zulauf der AfD gerade bei jungen Menschen sei furchtbar, aber da unterkomplexe Lösungen geschickt verpackt in sozialen Medien viel Anklang fänden, müssten demokratische Parteien besser in ihrer eigenen Kommunikation komplexer Lösungsansätze werden. Zusätzlich brauche es jedoch frühzeitige Demokratiebildung in Schulen. Kindern und Jugendlichen müsse wieder stärker verdeutlicht werden, dass nur in einer demokratischen Gesellschaft Probleme gerecht gelöst werden können. Dass sich im Helferkreis neben Lehner und Arndt besonders viele junge Menschen engagieren, stimmte Jürgen Mistol daher sehr positiv.