Die Grünen im Landkreis Schwandorf luden zum Wahlkampfabschluß ins Kino ein. Gezeigt wurde der Film „Wackersdorf“, der den zivilen Widerstand gegen eine von der CSU-Staatsregierung geplante atomare Wiederaufbereitungsanlage in der Oberpfalz vor über 30 Jahren beinhaltet. Unter der Moderation von Geschäftsführer der Grünen Oberpfalz Sascha Keilholz schilderten anschließend die Zeitzeugen Jürgen Mistol, Ingeborg Hubert, Rudi Sommer und Leo Feichtmeier ihre Erlebnisse der damaligen Zeit.
Ingeborg Hubert wuchs als Kriegskind auf und arbeitete als Lehrerin im Landkreis Schwandorf, bis sie 1985 nach Wöhrth versetzt wurde. Später wurde sie als Grüne Stadträtin von der CSU stark angefeindet, sodass ihr Rektor sie vor Disziplinarverfahren schützen musste, obwohl sie sich in der Schule nie politisch betätigt hatte.
Rudi Sommer engagierte sich mit 18 in der Bürgerinitiative, „friedliche Katastrophen“ und nahm an den Sonntagsspaziergängen um den Bauzaun des WAA-Geländes teil. Bei einer Hausdurchsuchung der Polizei bekam er die Willkür des Staates zu spüren: Sein Werkzeug wurde mit der Begründung beschlagnahmt, er könnte sich damit „passiv bewaffnen“. Die WAA wurde von der Staatsregierung als „Recycling-Anlage“ vermarktet, jedoch war darunter etwas anderes zu verstehen, als der Anbau von Obst und Gemüse samt Kompostieren im elterlichen Garten. Sommer mahnt davor, nicht zu verdrängen, dass jene Wiederaufbereitung nicht in Wackersdorf beendet, sondern andernorts fortgesetzt wurde. In der Bevölkerung mangele es an einem Bewusstsein der CO2-Bilanz in allen möglichen Bereichen, sowohl im Verkehr, aber vor allem bei den Baustoffen. Bei der Dämmung werden noch immer aufwändig produzierte und nicht biologisch abbaubare Dämmstoffe ökologischen Baustoffen vorgezogen. Umso entschiedener müsse man daher den Ausbau der erneuerbaren Energien forciere, fordert Sommer und verurteilt die Diffamierung der Windenergie durch die Staatsregierung nach der Abwahl von Rot-Grün.
Leo Feichtmeier leitete als Pfarrer die Andachten am Marterl. Initiiert wurden die Messen von Studenten, die den Arbeitskreis „Theologie- Kernenergie“ gegründet haben und regelmäßige treffen mit Politikern organisierten. Wegen seiner Zusammenarbeit mit SPD und Grünen musste Feichtmeier ein Disziplinarverfahren durchlaufen. Besonders empört habe ihn der Abwurf von CS-Gas auf friedliche Demonstranten. Auch heute kann er sich nicht mit der CSU versöhnen: „Auf der einen Seite will die Staatsregierung ein Kreuz in alle Amtsstuben hängen, auf der anderen verhält sie sich jedoch schwer gegen das Kreuz!“
Jürgen Mistol musste angesichts der jüngsten Ereignisse in Chemnitz und den Protesten gegen das PAG viel an die Wackersdorf-Zeiten und an Schuierers Satz denken: „Hier entscheidet sich die Zukunft eines demokratischen Bayerns!“ Weiter stellt Mistol fest: „Wir leben in einem Rechtsstaat, in dem die Polizei das Gewaltmonopol zur Einhaltung der Gesetze hat. Die Einführung des PAG stärkt das Vertrauen in die Polizei jedoch nicht, es verängstigt, bringt Zweifel mit sich.“ Stattdessen wünscht er sich, dass die Menschen wieder Vertrauen in den Staat und seine Sicherheitsbehörden haben können, denn es gehe in der heutigen Zeit immer mehr darum, unseren Rechtsstaat gegen rechtsextreme Einflüsse zu verteidigen.
Die Wortmeldungen aus dem Publikum behandelten die Existenzangst der Protestierenden in Wackersdorf, sowie die Willkür eines Polizeistaats, die trotz Unrecht gegenüber Bürgern keinerlei Schadensersatz leisten muss.
„Was wäre gewesen, wenn der Super-GAU in Tschernobyl nicht in dieser zeit gewesen wäre?“, will Hans Bauer im Publikum wissen. Für Jürgen Mistol wurde Strauß‘ Argument, dass nichts passieren kann, damit erschüttert und ist somit ein wichtiger Teil der Wackersdorf Geschichte. Nach Strauß‘ Tod fiel auch die Person weg, die die WAA durchsetzen konnte. Ingeborg Hubert ist jedoch der Meinung, dass nicht die Politik, sondern die Industrie nachgegeben habe. Rudi Sommer ist überzeugt, dass viele Zufälle schicksalsführend waren, wie die Diskussionen in vielen Familien oder Schuierers Fähigkeit, den Schlot auf den Bauplänen zu erkennen.