Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen!
Im Landeswahlrecht gibt es, ich sage mal, viele Baustellen, wie zum Beispiel das Wahlalter ab 16 Jahren, Überhang- und Ausgleichsmandate oder die Parität der Geschlechter. Wir hätten einiges zu besprechen, und wir GRÜNEN wollen tatsächlich auch noch einiges besprechen.
Was den vorliegenden Gesetzentwurf der FDP angeht, ist der Anknüpfungspunkt des Entwurfs fast ein Nebenaspekt, nämlich, dass immer mehr Stimmkreise, was die durchschnittliche Einwohner*innenzahl angeht, über bzw. unter der gesetzlichen 15-Prozent-Grenze liegen. Obwohl in Artikel 5 Absatz 2 Satz 3 des Landeswahlgesetzes geregelt ist, dass die durchschnittliche Einwohner*innenzahl der Stimmkreise im jeweiligen Stimmkreis um nicht mehr als 15 % nach oben oder unten abweichen darf, nimmt die Staatsregierung hier keine Änderungen vor, bzw. sie meint offensichtlich, sie erst ab 25 % vornehmen zu müssen. Das kritisiert die FDP sicherlich vom Gesetzeswortlaut her nicht zu Unrecht.
Außerdem bleibt unklar, warum die Staatsregierung die Stimmkreiseinteilung bei Abweichungen von über 15 % nicht ändern will, obwohl im Landeswahlgesetz steht, dass Abweichungen über 15% vermieden werden sollen, in begründeten Fällen aber zulässig sind. Es ist schon ein bisschen merkwürdig, dass man sozusagen für alle Stimmkreise, bei denen die 15-Prozent-Grenze über- oder unterschritten wird, eine Begründung gefunden hat. Das ist aus meiner Sicht mit dem Gesetzeswortlaut nicht in Einklang zu bringen.
Sicherlich ruft man mit solchen Vorschlägen keine Freude hervor. Ich erwarte aber schon, dass der Staatsminister des Innern, der den Stimmkreisbericht vorgelegt hat, Vorschläge macht, wie man dem Ganzen abhelfen kann. Das ist aber offensichtlich nicht der Fall.
Herr Kollege Taubeneder, Sie haben als Beispiel den Stimmkreis Regensburg-Land und Regensburg-Stadt genannt. Dabei handelt es sich um das schlechteste Beispiel, das man bringen kann, weil das zwei Stimmkreise sind – ich kann das sagen, weil ich von dort komme –, die nicht mit den Grenzen der Kreisfreien Stadt bzw. den Grenzen des Landkreises identisch sind. Die Begründung, die Sie angeführt haben, stimmt also gar nicht.
Jetzt stellt sich die Frage, ob das, was die FDP in ihrem Gesetzentwurf vorschlägt, nur eine kosmetische Änderung ist. Ich stelle fest: Die Rechtsfolge der 15-Prozent- Grenze wird durch die vorgeschlagene Formulierung zumindest klarer ausgesprochen als vorher. Das Wort "sollen" heißt, dass etwas immer und im Regelfall so gemacht werden soll, jedoch nur in wenigen begründeten Ausnahmen nicht. Ich finde aber auch, der vorliegende Gesetzentwurf lässt offen, welche Ausnahmefälle künftig erfasst werden sollen. Das sollte bei den Beratungen im Verfassungsausschuss von den Initiatoren geklärt werden.
Kolleginnen und Kollegen, das Regelungsziel des FDP-Gesetzentwurfs ist an sich begrüßenswert. Wir GRÜNE wollen ebenfalls gerechte Stimmkreiszuschnitte. Diese sind verfassungsrechtlich auch geboten. Wenn die FDP mit ihrem Gesetzentwurf die Staatsregierung in Sachen Stimmkreiszuschnitte angesichts der demo- grafischen Veränderungen zu mehr Nachhaltigkeit bewegen will, finden wir das gut.
Wir GRÜNE wollen aber mehr. Wir wollen keinen XXL-Landtag. Ich weiß, ihr habt einen Antrag gestellt, der morgen im Verfassungsausschuss behandelt werden wird. Wir wollen aber auch einen geschlechtergerechten Landtag, und wir wollen außerdem das Wahlalter auf 16 Jahre senken. Wir wollen also auf verschiedenen Ebenen ein gerechteres Wahlsystem als heute.
Die Rede des Kollegen Walter Taubeneder hat mich auch noch einmal darin bestärkt, dass wir dieses Thema breiter und auch mit Sachverstand von außen diskutieren müssen, und zwar in der von uns GRÜNEN beantragten Anhörung. Morgen ist der Antrag auf der Tagesordnung des Verfassungsausschusses.
Außerdem bedürfen auch noch die von der Staatsregierung im Stimmkreisbericht vorgeschlagenen Änderungen einer Änderung des Landeswahlgesetzes; denn es ist ja so, dass zugrunde gelegt werden soll, dass nicht mehr die wie bisher die am Hauptwohnsitz lebende Bevölkerung unabhängig vom Alter wählen darf, sondern nur noch die Volljährigen wählen dürfen. Mit diesem Trick schafft man es, dass man keine Änderung vornehmen muss. Aber wie gesagt: Es gibt noch ein weiteres Gesetzgebungsverfahren. Dann bleibt noch genügend Zeit, sich das mit mehr Ruhe und am besten gemeinsam zu überlegen.
Das Fazit lautet: Der vorlegte Gesetzentwurf der FDP lässt vor allem hinsichtlich der praktischen Folgen Fragen offen. Das Thema gerechte Stimmkreiszuschnitte sollte anders, nämlich am besten interfraktionell vorbereitet und breiter diskutiert werden. Ich werbe dafür, morgen im Verfassungsausschuss auf unseren Antrag hin eine Sachverständigenanhörung zur Verbesserung des Landtagswahlverfahrens zu beschließen.
(Beifall bei den GRÜNEN)