Verehrte Kolleginnen und Kollegen,
mit unserem Gesetzentwurf zu Änderung der Bayerischen Bauordnung schlagen wir gleich zwei Fliegen mit einer Klappe:
Mir ist bewusst, dass Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CSU, zur unbelehrbaren Autofraktion gehören, doch auch zu Ihnen dürfte längst vorgedrungen sein, dass ein eigener PKW in unserer modernen Mobilitätsgesellschaft immer mehr an Bedeutung verliert und weiter verlieren wird.
Eine Studie, die f21, ein Büro für Zukunftsfragen, erarbeitet hat, geht noch weiter: „Der Automarkt in industrialisierten Ländern wie Deutschland ist gesättigt“, lautet die zentrale These. 48 % der Großstadtbewohner in Deutschland, das hat eine repräsentative Umfrage der BHW Bausparkasse ergeben, sind überzeugt, dass Carsharing wichtiger wird. Und 60 % erwarten, dass in der Zukunft mehr Abstellräume für Fahrräder gebraucht werden als für Autos. Wie Sie sehen, gibt es eine klare Tendenz hin zu weniger motorisierten Individualverkehr.
Gerade weil Bayern ein Flächenstaat ist, gestaltet sich die Parksituation für Fahrräder, Motorräder und Autos in großen und kleinen Gemeinden, in Ballungs- und ländlichen Räumen sehr verschieden. Daher ist die gesetzliche Pflicht zur Schaffung von Stellplätzen gemäß § 47 der Bayerischen Bauordnung (BayBo), die auf die Reichsgaragenordnung 1939 zurückgeht, im wahrsten Sinne des Wortes von „anno dazumal“ und es ist an der Zeit, die Bauordnung in dieser Hinsicht zu entstauben.
Bislang ist darin geregelt, dass bauliche Anlagen, bei denen Zu- und Abfahrtsverkehr zu erwarten ist, nur dann errichtet werden dürfen, wenn Stellplätze in ausreichender Anzahl vorhanden sind. Was eine ausreichende Anzahl ist, wird in der Garagenstellverordnung (GaStellV) umfassend geregelt. Egal ob Einfamilienhaus, Minigolfplatz, Friedhof oder Gaststätte, die erforderliche Zahl an Stellplätzen muss vorhanden sein.
Also, überall wo gebaut wird, ist auch der Nachweis zu erbringen, dass Autos dort oder in der näheren Umgebung auch parken können. Was im ländlichen Raum aufgrund der günstigeren Platzverhältnisse in der Regel problemlos umsetzbar ist, wird in Städten oft zu einem Problem – besonders beim städtebaulich gewollten Reihenhaus- und Geschosswohnungsbau.
Zum Teil können die Stellplätze gar nicht oder nur mit hohem Aufwand auf dem Grundstück geschaffen werden, weil der Platz nicht ausreicht. Oft ist die Herstellung wirtschaftlich nicht zumutbar oder das Grundstück könnte durch die Parkplätze nicht mehr sinnvoll genutzt werden. Für diese Fälle wurde die Möglichkeit der sogenannten Stellplatzablöse geschaffen.
Doch genau hier liegt der Hund begraben. Gerade in wachsenden bayerischen Städten und ihren Umlandregionen verzichten immer mehr Menschen verstärkt aus ökonomischen und ökologischen Gründen auf ein eigenes Kraftfahrzeug. Car-Sharing, ein gut ausgebauter ÖPNV oder Fahrrad machen geld- und platzfressende Stellplätze mehr und mehr überflüssig.
Stattdessen führt ein Überangebot an Stellplätzen zu einer Subventionierung von Kfz-Verkehr über die Wohnkosten. Und diese Kosten sind nicht unerheblich: Bei Parkhäusern oder Tiefgaragenstellplätze ist man schnell man mit 10.000 bis 25.000 € Baukosten pro Stellplatz dabei. Und auch die Ablösebeträge bewegen sich zwischen 6.000 und 13.000 € pro Stellplatz (Zahlen: Stellplatzsatzung Stadt München). Gleichzeitig beklagen viele Wohnbaugesellschaften einen erheblichen Leerstand bei den Stellplätzen. Beispielsweise läge bei der städtischen Wohnungsgesellschaft GWG in München die Kostenmiete bei 106 € pro Stellplatz, die erzielbare Miete aber nur bei 55 € (PM der Grünen Stadtratsfraktion München). Der Rest muss über das Wohnen finanziert werden.
Dies verschärft die Situation in Städten mit knappen Wohnraum und steigenden Mieten zusehends. Dabei ist es gerade im geförderten Wohnungsbau natürlich ein Ärgernis, dass die Wohnkosten durch Stellplätze in die Höhe getrieben werden, die gar nicht gebraucht werden. Viele Sozialmieter besitzen ja nicht mal ein Auto. Was wir aber dringend brauchen, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CSU, ist genügend bezahlbarer Wohnraum.
Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir erreichen, dass die gesetzliche Pflicht zur Schaffung von Stellplätzen entfällt, sofern sie über die Bereitstellung von Behindertenstellplätzen bei öffentlich zugänglichen Gebäuden hinausgeht. Stattdessen wollen wir den Gemeinden die Möglichkeit geben, durch eigene Satzungen bedarfsorientiert Stellplatzpflichten zu begründen und inhaltlich auszugestalten. In diesem Rahmen soll wie bisher die Erhebung und Verwendung von Stellplatzablösebeträgen ermöglicht werden. Gleichzeitig wollen wir durch eine Ausweitung der Verwendungsmöglichkeiten der Stellplatzablöse zur weiteren Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs und zu einer Verkehrsberuhigung insbesondere in Wohngebieten beitragen.
Die kommunale Ebene wird mit dieser Regelung gestärkt und ihr Gestaltungsspielraum erweitert. Hier können Sie, verehrter Staatsminister Herrmann, ihren vollmundigen Ankündigungen, den bayerischen Kommunen mehr Freiraum zu verschaffen, endlich auch mal Taten folgen lassen. Und dass unser Ansatz praktikabel ist, zeigt ein Blick über den Tellerrand hinaus nach Hessen oder Brandenburg.
Mit unserer Gesetzesinitiative verfolgen wir mehrere Ziele:
Wie Sie sehen, bringt unser Gesetzentwurf eine Reihe von Vorteilen mit sich und entspricht ganz den Anforderungen an eine moderne Mobilitätsgesellschaft. Sollten Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen der CSU noch nicht überzeugt sein, freue ich mich schon auf lebendige Debatten in den zuständigen Ausschüssen.