Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen!
Transparenz wird von vielen Akteurinnen und Akteuren in Politik und Zivilgesellschaft als das entscheidende Gegenmittel für die Zunahme von Politikverdrossenheit gesehen. Sie ist damit auch ein zentraler Bestandteil vielfältiger Forderungen nach mehr parlamentarischer Offenheit. Ein Teilbereich parlamentarischer Offenheit ist, dass wir in Bayern auch in den Ausschüssen grundsätzlich öffentlich tagen; im Gegensatz zum Bundestag oder zu manch anderem Landesparlament.
Die Rahmenbedingungen für ein transparentes parlamentarisches Arbeiten korrespondieren auch mit den technologischen Möglichkeiten. Wir haben heute im Gegensatz zu vor zehn, zwanzig Jahren die Möglichkeit, Sitzungen per Livestream zu übertragen. Das ist weder technisch besonders schwierig noch besonders teuer. Wenn wir gegenüberstellen, wie viel Finanzmittel der Landtag als Haushaltsgesetzgeber dem Herrn Ministerpräsidenten für dessen Öffentlichkeitsarbeit zur Verfügung stellt und was der Livestream und das andere kostet, ist das ungefähr so, als würde man die Masse eines Elefanten mit dem einer Mücke vergleichen. Das Finanzargument kann es daher sicher nicht sein.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Kolleginnen und Kollegen, unsere Parlamentskultur und vor allem die bayerische Parlamentskultur ist durch Offenheit, Transparenz und Öffentlichkeit gekennzeichnet. Das sollte uns wichtig sein. Der Grundsatz der Öffentlichkeit nicht nur in der Vollversammlung, sondern ausdrücklich auch in den Ausschüssen hat in Bayern eine lange Tradition. Deshalb sollten wir auch immer bereit sein, unsere Geschäftsordnung fortzuentwickeln und den gesellschaftlichen und technologischen Entwicklungen anzupassen. Die Online-Übertragung bringt den Vorteil mit sich, dass mit geringem Aufwand eine größere Öffentlichkeit erreicht werden kann, als das offline mit Hilfe der Sitzungsöffentlichkeit je möglich wäre; denn die Räumlichkeiten des Landtags sind von Haus aus begrenzt.
Kolleginnen und Kollegen, die Präsidentinnen und Präsidenten aller deutschen und österreichischen Landesparlamente sowie des Südtiroler Landtags haben 2013 – das ist mir bei den Recherchen ins Auge gesprungen –, also schon vor sieben Jahren, in der sogenannten Kremser Erklärung festgestellt, dass, ich zitiere, "die moderne Informationsgesellschaft und ihre Instrumente den Landesparlamenten die Chance bieten, die Bürgerinnen und Bürger in neuer Qualität zu informieren und zu beteiligen."
Die Landtagspräsidentinnen und -präsidenten regen sich in dieser Erklärung gegenseitig an, mit Augenmaß zu experimentieren. Dabei wird auch ganz konkret die Ermöglichung der Übertragung von Gremiensitzungen mittels Livestream erwähnt. Das war 2013. Jetzt haben wir das Jahr 2020. Die Corona-Krise hat den parlamentarischen Betrieb in Deutschland, auch in Bayern, vor besondere Herausforderungen gestellt. Als Repräsentationsorgan steht das Parlament notwendig in einem ständigen Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern.
Wir haben in diesem Jahr mit Augenmaß experimentiert, wegen der Corona-Krise und weil derzeit ohne Livestream unsere Ausschusssitzungen gar nicht stattfinden könnten. Aus Sicht der Landtagsfraktion der GRÜNEN ist dieses Experiment geglückt. Wir haben sehr viele positive Rückmeldungen seitens der Bürgerinnen und Bürger bekommen. Wir, das sind in diesem Fall die GRÜNEN, die SPD und die FDP, wollen diese positiven Erfahrungen im parlamentarischen Alltag etablieren. Deswegen haben wir diesen Antrag vorgelegt und werben bei den Regierungsfraktionen um Unterstützung.
Selbstverständlich freuen wir uns auf den Tag, wenn wir im Bayerischen Landtag nach überstandener Corona-Pandemie unsere Türen wieder öffnen können, wenn Schülergruppen, interessierte Bürgerinnen und Bürger, Petentinnen und Petenten, Verbandsvertreterinnen und -vertreter wieder da sind und die Debatten direkt im Sitzungssaal mitverfolgen können. An diesem öffentlichen Zugang zu Sitzungen, der sogenannten Saalöffentlichkeit, wollen wir ausdrücklich nichts ändern. Durch unsere vorgeschlagene Geschäftsordnungsänderung soll lediglich dem Umstand Rechnung getragen werden, dass sich der Begriff der Öffentlichkeit durch die veränderten Kommunikationsmöglichkeiten und auch -gewohnheiten inzwischen längst weiterentwickelt hat.
Wir wollen Hürden der Teilnahmemöglichkeit abbauen. Der Weg nach München ist für viele eine räumliche und zeitliche Hürde, zum Beispiel für Leute, die in Alzenau in Unterfranken, in Lindau am Bodensee oder in Neualbenreuth im Landkreis Tirschenreuth wohnen. Diese Leute habe es weit bis nach München. Auch Menschen mit Behinderungen und Mobilitätseingeschränkte sollen auf einfache Art und Weise, ohne Hürden, an Sitzungen teilnehmen können. Nicht alle Maßnahmen, die aufgrund der Gefahren durch die Corona-Pandemie notwendig geworden sind, sollen die Krise überdauern. Aber Modernisierungen und Verbesserungen, vor allem im Bereich des demokratischen Prozesses, sollen beibehalten werden. Das gilt auch für die Verfolgbarkeit des Parlamentsbetriebes. Wir wollen die dauerhafte Implementierung der Echtzeitübertragung in den politischen Alltag.
Kolleginnen und Kollegen, abschließend möchte ich feststellen, dass wir auch dem Antrag der CSU und der FREIEN WÄHLER zustimmen werden. Er entspricht weitestgehend dem, was wir schon im Frühjahr beschlossen haben, was bis zur Sommerpause gegolten hat und was wir in der vorletzten Woche im Ältestenrat schon einvernehmlich besprochen hatten.
(Beifall bei den GRÜNEN)