Rede Jürgen Mistol
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen!
Erst einmal herzlichen Dank den Kolleginnen und Kollegen der SPD für diese Aktuelle Stunde hier im Hohen Haus. Wohnen ist zwar ein Grundbedürfnis für alle Menschen, leider ist sorgenfreies Wohnen für nicht wenige Menschen in unserem Land keine Selbstverständlichkeit. Deswegen ist es richtig, dass die Politik gemeinsam praktische und auch schnelle Lösungen für dieses drängende Problem findet.
Insofern wecken die bekannt gewordenen Verhandlungsergebnisse aus Berlin im Be- reich des Wohnens zumindest etwas Hoffnung, nachdem – man muss das so deutlich sagen – der Bund seine Wohnbauziele in den vergangenen Jahren leider deutlich verfehlt hat. Ich kann nur hoffen, dass die Ankündigung von Union und SPD, den sozialen Wohnungsbau als wesentlichen Bestandteil der Wohnraumversorgung zur Stabilisierung des Wohnungsmarktes auszubauen, auch Wirklichkeit wird.
Kolleginnen und Kollegen, ich stelle fest: Die Staatsregierung tut beim öffentlich geför- derten Wohnungsbau ganz offensichtlich nicht genug. Der Freistaat ist ein attraktiver Standort. Die Bevölkerung wächst. Als Faustregel gilt, dass Bayern etwa 70.000 Woh- nungen pro Jahr braucht.
Wie schaut die Realität aus? – Schon vor der Delle in der Baukonjunktur hat Bayern diese Zielmarke nie erreicht. Es wird konsequent weniger gebaut als notwendig ist, und zwar egal, ob frei finanziert oder öffentlich gefördert.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen, Sie werden dem Mangel an bezahlbarem Wohnraum nicht abhelfen, wenn ein bereits angespannter Wohnungsmarkt keine angemessene Entlastung durch neue Wohnungen erfährt. Erst diese Woche titelte die "Süddeutsche Zeitung": Sozialer Wohnungsbau stagniert.
Auf der Regierungsbank müssten die aktuellen Zahlen eigentlich bekannt sein. Herr Staatsminister Bernreiter, Sie haben im Januar eine Anfrage zur Wohnraumförderung beantwortet. Das Fazit ist: Der Topf für Zuschüsse zur Wohnraumförderung ist de facto leer. – Es ist zwar richtig, dass die Staatsregierung viel Geld in die Hand nimmt. Herr Kollege Konrad hat ja recht; es war noch nie so viel Geld im System, um in Bayern Wohnraum zu fördern. Trotzdem reicht das Geld hinten und vorne nicht.
Dabei ist es eigentlich eine sehr gute Nachricht, dass die bayerischen Wohnungsunternehmen viele bezahlbare Wohnungen bauen wollen; denn wir brauchen in der Tat sehr viele davon. Die Menschen in Bayern brauchen sie – Junge, Ältere, Geringverdiener, der Mittelstand.
Kolleginnen und Kollegen, einer der Gründe, weshalb der Topf für die Wohnraumför- derung schon leer ist, heißt BayernHeim. Die BayernHeim hängt am Tropf der Wohnraumförderung und steht damit in Konkurrenz zu allen anderen Unternehmen, die öffentlich gefördert bauen wollen. Die staatliche BayernHeim hat allein mehr Förder- gelder beantragt, als insgesamt für all diese Unternehmen zur Verfügung standen. Ich weise auf diesen Geburtsfehler der BayernHeim schon seit ihrer Gründung hin. Diese Lage wäre also wirklich zu vermeiden gewesen.
(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)
Kolleginnen und Kollegen, wir können davon ausgehen, dass im laufenden Jahr noch erheblich mehr Anträge auf Förderung eingehen werden. Viele Projekte sind schon in der Pipeline. Wenn sich die Lage auf dem Wohnungsmarkt in Bayern spürbar verbessern soll, dann muss die Staatsregierung die Wohnraumförderung massiv stärken und zudem kreative Lösungen finden.
Wir GRÜNE sind auch hier sehr gerne behilflich und liefern gerne einen Beitrag. Anlässlich der Gründung der staatlichen Finanzholding Baunova haben wir GRÜNE einen offenen Immobilienfonds vorgeschlagen, um die BayernHeim alternativ mit privatem Geld zu finanzieren. Damit stünde mehr Geld für die kommunalen, genossenschaftlichen und für die privaten Wohnbauprojekte zur Verfügung. Ein weiterer positiver Effekt wäre, dass Privatanleger eine risikoarme, kapitalsichernde und nicht zuletzt sinnstiftende Möglichkeit zur Geldanlage an die Hand bekommen würden.
(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)
Leider haben CSU und FREIE WÄHLER unseren Antrag abgelehnt. Ich danke ausdrücklich der SPD für die Unterstützung unseres Antrags. Vielleicht kommt er ja in neuem Gewand wieder auf die Tagesordnung; ich habe hier schon alles erlebt, und es ist auch nicht verboten, auch einmal Ideen zu klauen.
Sie müssen sich etwas einfallen lassen. Die schlechten Nachrichten über stockende Wohnbauprojekte mangels Fördermitteln kommen gerade aus allen Richtungen des Freistaats. Angesichts knapper Kassen können die Kommunen den finanziellen Ausfall unmöglich ausgleichen. In der Konsequenz wird der Bau von sozial gerechtem Wohnraum abgewürgt.
Es wäre der Witz des Jahres: Wir entbürokratisieren – Kollege Behringer hat darauf hingewiesen – gerade auf Teufel komm raus. Das ist auch gut so. Wir digitalisieren, wir machen Genehmigungsprozesse schneller. Dann fehlt aber das Fördergeld des Freistaats. Die dringend notwendigen neuen bezahlbaren Wohnungen werden dadurch auf die lange Bank geschoben. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein.
(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)
Ich greife nur ein Beispiel heraus, um einen Eindruck von der Lage zu geben: Das Projekt "Weltwiese" der städtischen Wohnbaugruppe Augsburg liegt wegen fehlender finanzieller Planungssicherheit auf Eis. Hier sollten in den kommenden Jahren rund 1.200 neue Wohnungen auf dem Gelände einer ehemaligen Siedlung der US-Streit- kräfte entstehen.
Dieses Vorhaben musste abgebrochen werden. Das ist nur eines von vielen Dutzenden Beispielen aus ganz Bayern. Wenn die Staatsregierung glaubhaft für mehr bezahlbaren Wohnraum in Bayern sorgen will, muss sie den öffentlich geförderten Wohnungsbau viel stärker als bisher als Aufgabe annehmen.
Es gibt durchaus noch einige Karten, die man ausspielen kann, um bezahlbaren
Wohnraum zu schaffen. Wir brauchen beispielsweise endlich eine aktive Bodenpolitik für die Kommunen und das gemeinschaftliche Bauen. Es ist grober Unfug, dass Grundstücke des Freistaats immer noch nach dem Höchstpreis verkauft werden. Der Verzicht auf die Grundsteuer C ist ebenfalls ein schwerer Fehler. Ich sage Ihnen: Es darf sich nicht länger lohnen, dass Grundbesitzer baureifes Land brachliegen lassen, um Gewinne zu maximieren.
(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)
Die Kommunen brauchen die Unterstützung des Freistaats bei der Akquise von Flächen für den bezahlbaren Wohnungsbau.
Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum Schluss. Wohnen ist die soziale Frage unserer Zeit. Wir brauchen als Antwort einerseits mehr privates Geld für mehr bezahlbaren Wohnraum und andererseits mehr Fördermittel für die soziale Wohnraumförderung. Jetzt muss es einen Schub geben, und dazu braucht es mehr Flexibilität im Denken und Handeln und clevere Lösungen. Herr Staatsminister Bernreiter, Sie sind gefordert. Auskömmlich fördern, beschleunigen, möglich machen, vereinfachen – das ist der Weg für Bayern.
(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)