Rede Jürgen Mistol
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Ich will Ihnen mal erzählen, auf was es für uns GRÜNE in der bayerischen Wohnungspolitik ankommt; auf die Immobilienprojekte wird meine geschätzte Kollegin Claudia Köhler später noch ausführlich eingehen. Ich will Ihnen erzählen, was wir in der Wohnungspolitik von der Staatsregierung erwarten bzw. auch nicht erwarten.
Wir erwarten zum Beispiel kein opulentes Fünf-Gänge-Menü oder irgendwelchen Schnickschnack; von Prestigeprojekten mag ich gar nicht reden. Wir wären fürs Erste ganz bodenständig mit Brot und Butter zufrieden, mit einer Wohnungspolitik, die sich dem Artikel 106 der Bayerischen Verfassung verpflichtet fühlt, dass nämlich die Förderung des Baus billiger Volkswohnungen – heute würde man sagen: bezahlbaren Wohnraums – Aufgabe des Staates und der Gemeinden ist und alle Bewohnerinnen und Bewohner Bayerns Anspruch auf eine angemessene Wohnung haben. – So steht es in der Verfassung.
Für uns GRÜNE heißt das: Es braucht eine gut ausgestattete Wohnraumförderung, weil die Schaffung von ausreichend bezahlbarem Wohnraum die soziale Frage der Gegenwart ist. Dabei geht es um den sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft, um Gerechtigkeit und um Chancengleichheit.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Mieten und Immobilienpreise haben sich in den wirtschaftsstarken Städten und Regionen Bayerns in den vergangenen Jahren drastisch erhöht. Die durchschnittlichen Mieten sind für Menschen mit unteren, aber auch mit mittleren Einkommen einfach zu hoch und können gerade in Krisenzeiten schnell zum Armutsrisiko werden. Obwohl die Baubranche boomt wie lange nicht – noch, muss man vielleicht angesichts der aktuellen Lage sagen –, wird nach wie vor zu wenig und fast ausschließlich in den hochpreisigen Segmenten der Wohnungsmärkte gebaut. Sogenannte Luxussanierungen und Entmietungen treiben Bewohnerinnen und Bewohner aus ihren bisherigen Quartieren, mitunter mit großen Auswirkungen auf die Sozialstruktur kompletter Innenstadtbereiche. Verschärft wird die Situation durch die Folgen der geringen Tätigkeit beim sozialen Wohnungsbau, denn während das Mietniveau in vielen bayerischen Städten unaufhaltsam steigt, sinkt der Bestand an Sozialwohnungen kontinuierlich. Es gibt also nicht einmal Brot und Butter für alle, für manche nicht einmal altes Toastbrot und Margarine. Herr Bernreiter, das ist der Stand der Dinge zu Beginn Ihrer Tätigkeit als zuständiger Minister; das muss ich in aller Schonungslosigkeit und Deutlichkeit zu sagen.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Wenn man dem Verfassungsauftrag in Artikel 106 der Bayerischen Verfassung gerecht werden will, braucht es einen echten Kurswechsel in der Wohnungspolitik. Das bisherige Mantra Ihrer Vorgängerin, die immer hier gestanden und gesagt hat "Bauen, bauen, bauen", löst die Wohnungsfrage nicht. Es braucht regulierende Instrumente und politische Gestaltung, damit das Dach über dem Kopf nicht allein den Kräften des Marktes ausgesetzt ist und der Anstieg der Mieten wirksam gedeckelt wird.
Kolleginnen und Kollegen, die Ampel-Regierung in Berlin legt hier vor: Senkung der Kappungsgrenze, Stärkung und Verbreiterung des qualifizierten Mietspiegels und rechtssicheres Vorkaufsrecht für unsere Kommunen. Unterstützen Sie die Bundesregierung hierbei, damit sich die Menschen in Bayern ihre Wohnung leisten können! Machen Sie eine Politik, die die Interessen von Vermietern und Mietern nicht gegeneinander ausspielt!
(Beifall bei den GRÜNEN)
Doch die Bilanz der bisherigen Wohnungsbaupolitik der Regierung von Ministerpräsident Dr. Söder ist so beständig wie die Leitung des Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr. Mittlerweile ist seit Söders Amtsantritt der vierte Minister im Amt. Herr Bernreiter, Sie treten wirklich ein schweres Erbe an. Ihre Vorgängerin, Kerstin Schreyer, ist schließlich an den nicht zu erfüllenden Wahlkampfversprechen von Ministerpräsident Söder gescheitert. Das muss man auch ganz deutlich sagen. Kontinuität und Verlässlichkeit sucht man auch in der bayerischen Wohnraumförderung vergeblich. Der Wohnungspakt Bayern ist 2019 mit durchwachsener Bilanz aus- gelaufen. 2018 wurden immerhin noch 4.273 Mietwohnungen im bayerischen Wohnbauprogramm gefördert. Im vergangenen Jahr 2021 waren es gerade noch 3.981.
Doch statt nachzulegen und angesichts der steigenden Baukosten die Wohnraumförderung angemessen aufzustocken und damit ein klares Signal für den öffentlich geförderten Wohnungsbau zu setzen, gehen Sie in der Förderpolitik regelmäßig einen Schritt vor und zwei Schritte zurück. CSU und FREIE WÄHLER waren aktuell nicht einmal bereit, die weggefallenen 140 Millionen Euro Eigenmittel der BayernLabo zu kompensieren, geschweige denn, eine Schippe draufzulegen. Stattdessen legen Sie die Hände in den Schoß und verlassen sich auf den Bund, der seine Mittel für den sozialen Wohnungsbau fast verdoppelt. Bei dieser Gelegenheit darf ich Sie auch daran erinnern, dass die Verantwortung für die soziale Wohnraumförderung seit der Föderalismusreform 2006 bei den Bundesländern liegt. Dann kommen Sie dieser Verantwortung bitte auch nach.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Kolleginnen und Kollegen, die staatliche Wohnraumförderung sehen wir als den Königsweg, mit dem langfristig ein hochwertiger und bezahlbarer Mietwohnungsbestand geschaffen werden kann. Die Anpassung der Wohnraumförderbestimmungen zum 1. April, also vor Kurzem, und die Erhöhung der Zuschüsse sind daher grundsätzlich zu begrüßen, vor allem im Hinblick auf die Komponenten zur Energieeffizienz und Nachhaltigkeit. Ob das Ganze angesichts der davongaloppierenden Baukosten und der steigenden Energiepreise ausreichen wird, ist fraglich. Gleichzeitig wird aber das objektabhängige Darlehen von bisher 50 auf 25 % halbiert. So wirtschaften Sie von der linken in die rechte Tasche, während die Erhöhung der Zuschüsse bei den Wohnungsunternehmen verpufft. Hier müssen Sie schleunigst nachbessern, wenn Sie wirklich eine glaubwürdige Wohnungspolitik vertreten wollen.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Die längst überfällige Erhöhung der Zuschüsse darf zudem nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Wohnraumförderung insgesamt weiterentwickelt werden muss. Andere Bundesländer sind da längst weiter. So sollen angesichts steigender Baulandpreise bei der Förderung auch die Grundstückskosten berücksichtigt werden. Außerdem sollen der Erwerb von Belegungsrechten im Wohnungsbestand sowie der Erwerb von Genossenschaftsanteilen für selbst genutzten Wohnraum gefördert werden. Verbesserungsbedarf sehen wir auch bei der Förderung inklusiver Wohnformen. Entsprechende Anträge sind aber bei den Regierungsfraktionen bislang auf taube Ohren gestoßen.
Über die staatliche Wohnungsbaugesellschaft BayernHeim hat sich Kollege Körber schon in aller Breite ausgelassen. Auch der ORH hat in seinem jüngsten Jahresbericht die BayernHeim ins Visier genommen. Darin bestätigen sich auch unsere wesentlichen Kritikpunkte der Vergangenheit: Binnen drei Jahren wurde keine einzige Wohnung neu geschaffen – das ist schon gesagt worden –, schon gar nicht auf staatlichen Grundstücken, und die BayernHeim steht in Konkurrenz zu anderen Wohnungsbauakteuren.
Herr Staatsminister, die Bilanz der BayernHeim ist so ernüchternd, ist so dermaßen bescheiden, dass die Pressemitteilungen Ihres Hauses die Grenzen der Peinlichkeit längst überschritten haben,
(Beifall bei den GRÜNEN)
weil große Worte auf der einen Seite und winzige Ergebnisse auf der anderen Seite so weit auseinanderklaffen.
Hören Sie endlich damit auf, die BayernHeim als Scheinriesen darzustellen! Stecken Sie nicht so viel Energie hinein, Unzulänglichkeit und Misserfolge zu kaschieren! Packen Sie endlich an, und lassen Sie sich von der Pressemitteilung nicht die rosarote Brille aufsetzen! – Die steht Ihnen nämlich nicht.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Kolleginnen und Kollegen, dass die BayernHeim nicht erfolgreich ist und auch in Zukunft nicht sein kann, liegt vor allem daran, dass die Rahmenbedingungen nicht stimmen. Neben einem eigenen Fördertopf für die BayernHeim braucht es eine langfristige, gut ausgestattete, verlässliche Wohnraumförderung für alle gemeinwohlorientierten Unternehmen.
Zudem braucht es endlich eine Neuausrichtung der staatlichen Immobilienverwaltung IMBY. Neben der Möglichkeit zur verbilligten Abgabe staatlicher Liegenschaften für den sozialen Wohnungsbau, vor allem im Erbbaurecht, sollte die IMBY eine aktive Rolle bei der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum einnehmen und kommunales Bauen unterstützen. Obwohl die IMBY auch innerhalb des Regierungslagers ganz massiv in der Kritik steht, gibt es keine wirklichen Reformbestrebungen. Kümmern Sie sich darum, Herr Bernreiter!
Eine Schlüsselrolle bei der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum spielen die Kommunen. Damit Städte und Gemeinden die planungsrechtlichen Voraussetzungen für Wohnbebauung schaffen können, brauchen sie wirksame Instrumente. Doch die Einführung einer Grundsteuer C ist hier behindert worden. Man konnte sich nicht darauf einigen. Reden Sie mit Herrn Brandl vom Gemeindetag, und handeln Sie dann entsprechend, Herr Bernreiter!
(Beifall bei den GRÜNEN)
Auch das Baulandmobilisierungsgesetz ist in Bayern immer noch nicht vollständig umgesetzt, obwohl die Maßnahmen zeitlich befristet sind. Geben Sie den Kommunen endlich die Instrumente in die Hand, die wirklich helfen.
Herr Staatsminister Bernreiter, wie Sie sehen, gibt es beim Wohnungsbau in Bayern zahlreiche Baustellen. Die Zeit drängt. Krempeln Sie die Ärmel hoch, sorgen Sie zumindest für Brot und Butter, und zwar für alle!
(Beifall bei den GRÜNEN)
(Christian Bernreiter): Das Einzige, was Sie können, ist Kritisieren. Kritik erspart aber keine eigene Leistung.
(Jürgen Mistol (GRÜNE): Besser selber machen!)