„Europäische Verantwortung für den Klimaschutz muss übernommen werden, nicht auf Konferenzen, sondern auch durch politisches Handeln.“ Mit diesen Worten schloss der slowakische Umweltminister Ján Budaj die Diskussion zum Thema „Verantwortung übernehmen – Wohlstandsgesellschaft am Rande der Klimakrise“. Diese Diskussion fand im Rahmen des XXX. Brünner Symposiums statt, welches unter dem Motto „Der Dialog in der Mitte Europas“ stand. Dort trafen sich Vertreter*innen aus den Tschechischen und Slowakischen Republiken und aus Deutschland. Neben Jürgen Mistol und dem slowakischen Umweltminister Ján Budaj nahmen an der Podiumsdiskussion die tschechische Umweltministerin Anna Hubáčková teil und die Wissenschaft vertraten Prof. Jan Konvalinka von der tschechischen Akademie der Wissenschaften und Dr. Stefan Einsiedel, Leiter des Zentrums für Umweltethik und –bildung München. Die Zivilgesellschaft vertrat Klára Bělíčová, eine Gymnasialstudentin und Umweltaktivistin der tschechischen Fridays for Future - Bewegung.
Die Teilnehmer*innen diskutierten zu unterschiedliche Themen, wie die Schaffung einer nachhaltigeren Weltordnung, die im Kampf mit dem ständigem Wachstum sowie der Gewinnorientierung der Gesellschaft und dem Bevölkerungszuwachs steht. Die Debatte startete mit einem Eingangsstatement der Diskutierenden. Ján Budaj beschrieb seine Beobachtungen, wie sich die Welt in seinen 70 Lebensjahren, aber auch seit der industriellen Revolution und in den 90ger Jahren verändert hat. Dabei legte er Wert auf die Tatsache, dass in den letzten Jahren einige Ereignisse stattgefunden haben, die die Weltgesellschaft überzeugen könnte, dass die Welt nicht nur durch Wissenschaft verstanden werden könne (Covid-Pandemie). Seit den 30 Jahren, seit dem es diese Konferenz gibt, verdoppelte sich die Weltbevölkerung und es gibt Waffen, die die Mehrheit der Bevölkerung schnell zerstören könnte. Der Umweltminister stellte fest, dass das ständige Wachstum nicht nachhaltig sein kann und sprach in Verbindung dazu Tatsachen an, die nach dem Regimewechsel in der Tschechoslowakei 1989 nicht ausdiskutiert wurden. In dieser Hinsicht stellt er die Klimakrise und -erwärmung in den Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine - beide sieht er als Folgen der falschen und/oder nicht zu Ende gebrachten Diskussionen. Es sei wenig über Klima gesprochen worden, weshalb es zu solchen Veränderung gekommen sei, die eine Zwangsmigration bestimmter Völker bedingte, und es sei nicht auf Biodiversität geachtet worden, weshalb es den Pandemien erleichtert worden sei, sich zu auszubreiten. Im gleichem Atemzug wurden die Verbrecher des ehemaligen Regimes nicht bestraft, ganz im Gegenteil, die Weltpolitiker*innen haben ihnen weiter friedlich Hände geschüttelt, weshalb das Böse zurückgekehrt sei, was die Demokratie in der Welt gefährdet bzw. angreift.
Auch die tschechische Umweltministerin Hubáčková stellte die Probleme der heutigen Zeit in diesem Zusammenhang als Folgen der vorherrschenden Weltordnung und der Klimakrise dar. In Tschechien sei der Plan gewesen, bis 2023 aus der Kohle auszusteigen, was sich jetzt als unmöglich erwies, weil man nicht nur auf Atomkraft und erneuerbare Energien gesetzt hat, sondern auch auf Erdgas und -öl, dessen Hauptquelle die russischen Exporte seien. Sie sprach außerdem über die Unwilligkeit der Bevölkerung für einen Erhalt des Planeten u. A. ihren Komfort und ihre Mobilität zu reduzieren. Über diese Unwilligkeit sprach in seinem Anfangsstatement auch Dr. Einsiedel. Er forderte, dass der CO2-Ausstoss unbedingt mehr kosten müsse. Das würde aber auch zu einer sozialen Ungerechtigkeit führen, weil es sich manche Länder nicht leisten könnten. Daher müsste solidarisch seitens der Regierungen der europäischen Länder gehandelt und erhebliche Mittel für den sozialen Ausgleich bereit gestellt werden.
Jürgen Mistol sprach in diesem Zusammenhang über die Politiker*innen, die die Verantwortung für die heutige Weltordnung und Probleme und deren Lösung tragen. Er sprach im Einklang mit der folgenden Rednerin Klára Bělíčová, dass die Politik nur in Verbindung mit der Zivilgesellschaft, woher die Grünen kommen, die notwendigen Änderungen beschließen kann. Er sprach über die Notwendigkeit, den Wohlstand, den wir in (Mittel)Europa erreicht haben, anders zu definieren: z.B. „in den Urlaub nicht auf die Seychellen zu fliegen, sondern mit dem Zug nach Prag zu fahren“. Frau Bělíčová fügte hinzu, dass der Staat die Rahmenbedingungen setzten müsse, für das Handeln der Bürgerinnen und Bürger.
Prof. Konvalinka traut den Menschen zu, das sie eine Lösung für die aktuellen Situation finden werden und dass die Potenziale der Erde nachhaltig genutzt werden können, ohne sie zu zerstören, wie es in der Vergangenheit der Fall war (Urwälderabhölzung, Rapsölplantagen usw.). Auch Frau Hubáčková vertraut auf die Problemlösungsstrategien der Menschheit, aber sie äußerte gleichzeitig die Angst, dass die weitgehende Profitorientierung in den einzelnen Ländern die Einhaltung der vereinbarte Regeln konterkariert. Deshalb sei es ihren Worten nach „schon nach 12“ und uns allen steht das „Wasser bis zum Hals“. Ján Budaj verbindet diese Bilder mit der Forderung, dass die Entscheidungsträger*innen, d. h. die Politiker*innen, genug Mut zum Handeln haben müssen. Jürgen Mistol stimmte dem zu, weil es Möglichkeiten gebe und die Wissenschaft auf viele Fragen eine Antwort hat (z. B. die Technologie „power to gas“, die gerade an der OTH Regensburg patentiert wurde).
Alle diese Verbesserungen und Änderungen dauern aber viel zu lange, weil die demokratischen Entscheidungsprozesse sehr langwierig seien, so Hubáčková. Das bestätigt Prof. Konvalinka, indem er auf die Uneinigkeit der politischen Repräsentant*innen zu diesem Thema in den hochentwickelten (europäischen) Ländern hinwies. Dem stimmte Jürgen Mistol zu, weil es beispielsweise genug nachwachsende Energiequellen (v. a. Windkraft) gibt, diese aber nicht optimal genutzt werden. In dieser Hinsicht solle Europa als Vorbild dienen, so Bělíčová, und es müsse rasch eine gemeinsame Energiepolitik der EU-Länder vereinbart werden, so Budaj. Man könne sich es nicht mehr leisten, „eine Debatte über die Energie-Politik zu führen“. Hubáčková stimmte zu und ergänzte, dass auch große landwirtschaftliche Betriebe einen immensen negativen Beitrag leisten, was nicht mehr vertretbar ist. Deshalb müssen kleine landwirtschaftliche Betriebe unterstützt werden, so Dr. Einsiedel. Jürgen Mistol wies noch auf den Flächenverbrauch hin. Viel Fläche werde durch Landwirtschaft in Anspruch genommen, gleichzeitig wird auch ein entscheidender Anteil durch nicht nachhaltiges Bauen verbraucht. Man müsse sich also nicht nur an Gewinn orientieren, sondern auch den Flächenverbrauch reduzieren (z. B. durch in die Höhe bauen). Für diese Transformationsprozesse braucht es viele verantwortungsbewusste Menschen und die Bedeutung der Klimakrise muss umfassender erkannt werden. Zur Lösung der drängenden Klimafragen unserer Zeit braucht es eine europäischen effektiven Zusammenarbeit trotz aller unterschiedlichen Sichtweisen und Handlungsansätzen in den einzelnen europäischen Ländern.