Jürgen Mistol sprach vor dem Verband beratender Ingenieure Bayern im Rahmen der Landesversammlung des Verbands. Unter dem Titel „Klima, Krieg, Zeitenwende: Wo sind die frohen Botschaften für die Baubranche?“ leitete der MdL seine Rede mit einem Rück- und Ausblick auf die Corona-Pandemie, den russischen Angriffskrieg in der Ukraine sowie den Klimawandel ein.
Allen drei Krisen konnte Jürgen Mistol etwas Positives abgewinnen. Während der Pandemie habe u.a. die Digitalisierung der Arbeit dafür gesorgt, dass weniger Menschen auf motorisiertem Weg zu ihren Arbeitsplätzen gelangen mussten. Mit den dadurch frei gewordenen Büroflächen müsse aber nun auch verantwortungsvoll umgegangen werden, denn anstatt Gebäude abzureißen, wodurch wieder sogenannte Graue Energie frei wird, solle mehr auf Recycling sowie klugem Umgang mit Leerstand gesetzt werden, um die Bausubstanz zu erhalten.
Trotz des Stillstands in Corona-Zeiten, der zumindest zu einer vorrübergehenden, globalen Senkung des CO2-Ausstoßes geführt hatte, sei es mit Blick auf den Klimawandel „5 nach 12“. Denn das 1,5-Grad- Ziel des wegweisenden Übereinkommens von Paris könne nur noch unter größter Anstrengung erreicht werden, weshalb es auch vor dem Hintergrund der deutschen Energie- und Rohstoffabhängigkeit von autoritären Regimen wichtig sei, sich Gedanken zu machen, welche Rohstoffstrategie man künftig verfolgen wolle.
Für das mittlerweile vom Bundesverfassungsgericht anerkannte Grundrecht auf Klimaschutz bzw. auf Schutz vor den Folgen des Klimawandels trage die Baubranche als eine der Schlüsselindustrien in Deutschland eine besondere Verantwortung. Gerade Bauingenieur*innen seien bedeutend für das Vorantreiben von Innovation. Umso erfreulicher zeigte sich Jürgen Mistol, dass die Interessenvertretungen von Architekt*innen und Ingenieur*innen schon seit langer Zeit nachhaltiges Bauen propagieren und umfassende Lösungsansätze vorschlagen.
Neben dem längst überfälligen Einstieg in die Kreislaufwirtschaft, besserem Umgang mit Baumüll und idealerweise klimaneutralem Neubau müsse auch genügend Wohnraum für alle Menschen geschaffen werden. Vor allem in Bayern sei es notwendig, vom Mantra „Bauen, Bauen, Bauen“ wegzukommen, da täglich fast 12 Hektar Fläche für den Bau verbraucht würden. Die Antwort auf die „soziale Frage der Gegenwart“ seien nicht Neubauten, die zu überteuerten Mieten bezogen werden können, sondern ein Paradigmenwechsel in Richtung kompaktes, genossenschaftliches und die ökologische Transformation miteinbeziehendes Bauen.
Dies verdeutlichte der MdL mit Ciceros Worten „Non nobis solum nati sumus“: Wir sind nicht für uns allein geboren, freier: wir handeln nicht für uns allein. Die Konsequenzen gesellschaftlichen Handelns im Jetzt würden noch weit in die Zukunft reichen, wobei es sich schon heute entscheiden würde, ob diese Zukunft für nachfolgende Generationen eine lebenswerte sein wird. Damit stelle sich die Frage, ob es eine „transformation by desaster or by design“ geben werde. Zuversichtlich, dass mit gemeinsamen Kräften letzteres Szenario noch verwirklicht werden könne, schloss Jürgen Mistol seine Rede.