Interview mit Jürgen Mistol
Du bist ja 1991 bei den Grünen eingetreten: Warum, was hat dich damals bewegt einzutreten?
Im grünen Umfeld war ich seit frühester Jugend unterwegs, insbesondere beim WAA-Widerstand in den 1980er-Jahren. Anlass, Mitglied bei den Grünen zu werden, war die Bundestagswahl im Dezember 1990, bei der die „West-Grünen“ die Fünf-Prozent-Hürde nicht überspringen konnten. Ich dachte mir damals, es könne nicht sein, dass das grüne Projekt schon am Ende ist.
Was war dein persönliches Highlight in den 30 Jahren Mitgliedschaft? Was war ein nicht so schöner Moment?
Mein persönliches Highlight war die Einführung der eingetragenen Partnerschaft für Lesben und Schwule im Jahr 2001. Selbst innerhalb der rot-grünen Koalition konnten die Grünen nur mit viel Druck gegenüber der SPD erreichen, dass das Rechtsinstitut eingeführt werden konnte.
Und mich ärgert immer noch, dass das Projekt einer Stadtbahn in Regensburg in der Zeit des damaligen CSU-OB Schaidinger zweimal an die Wand gefahren wurde. Erst viele Jahre später konnten wir Grüne dieses so wichtige Verkehrsinfrastrukturprojekt als Teil der Stadtregierung aufs richtige Gleis setzen.
Was war der aufregendste Wahlkampf für dich und warum?
Der aufregendste Wahlkampf für mich persönlich war der Landtagswahlkampf 2013. Als Platz 1 der Oberpfalz-Liste spürte ich schon die Verantwortung, die Partei gut zu repräsentieren. Und es war einer der bis dato letzten Wahlkämpfe mit richtig heftigem Gegenwind.
Gibt es eine lustiges Ereignis oder Anekdote aus dem Wahkampf oder deiner grünen Laufbahn?
Legendär waren die Auftritte unseres Spitzenkandidaten Joschka Fischer in den Wahlkämpfen 1998, 2002 und 2005 auf dem Regensburger Haidplatz. Hatte der Kreisverband 1998 noch einen Bulldoganhänger mit Gebrauchsspuren auf den Platz bringen lassen, den Joschka mittels einer angelehnten Holzleiter erklimmen musste, ging es später deutlich professioneller zu. Auch die Sicherheitsanforderungen seitens des BKA waren enorm, die von mir vorgeschlagenen Joggingstrecken für Joschkas Fitness bin ich selbst vorher abgelaufen.
Was hast du persönlich bei den Grünen gelernt?
Nichts mit der Brechstange umzusetzen, weil ich von einer Sache total überzeugt bin, sondern auf den günstigen Zeitpunkt zu warten, damit es tatsächlich auch gelingt.
Was würdest du einem Neumitglied bei den Grünen mitgeben?
Bring dich ein, sei nicht enttäuscht, wenn etwas beim ersten Mal nicht klappt. In der Politik braucht es oft einen langen Atem.
Sind die Grünen heute anders als vor 30 Jahren?
Aber klar. Es ging oft ziemlich chaotisch zu, wenn ich an diverse Sitzungen in meiner Anfangszeit denke. Heute wirkt alles strukturiert und geordnet. Und neue Mitglieder werden abgeholt und zur Mitarbeit animiert. Eine Willkommenskultur habe ich 1991 nicht erlebt.
Welche Wünsche haben sich erfüllt, seitdem du eingetreten bist? Welche nicht?
In der rot-grünen Koalition 1998 bis 2005 konnten wir in der Rückschau erstaunlich viel durchsetzen (Erneuerbare-Energien-Gesetz, Staatsangehörigkeitsrecht, Eingetragene Partnerschaft, Atomausstieg, u.v.m.), Weichenstellungen vornehmen, die die Republik verändert haben. Aber was die Bewältigung der Klimakatastrophe angeht, sind die Herausforderungen immens, und nur wir Grüne willens, substanziell etwas voranzubringen.
Hast du irgendwelche Wünsche für deine Mitgliedschaft für die Zukunft?
Ich freue mich, dass wir Grüne immer mehr werden und wünsche mir, dass wir in unserer immer größer werdenden Vielfalt gemeinsam für eine realistische Umsetzung unserer Ziele kämpfen.
Die Fragen stellte Julia Krebs, Vorsitzende der Regensburger Grünen.